Aus Anlass des 70. Gründungstages der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem wurde im Januar 2023 im Deutschen Bundestag die Ausstellung “Sechzehn Objekte – Siebzig Jahre Yad Vashem“ gezeigt. Die Objekte aus der Sammlung von Yad Vashem repräsentierten die 16 deutschen Bundesländer, in die sich ihre Geschichte jeweils zurückverfolgen lässt. Bei dem Objekt aus Hamburg handelte es sich um den von Leon Daniel Cohen angefertigten Thoraschrein (Aron Hakodesh), der über das KZ Theresienstadt in die Gedenkstätte Yad Vashem gelangte. Leon Daniel Cohen führte in Altona ein Geschäft für Leder und Schuhmacherbedarfsartikel, wo er mit seiner Frau Adele und den 1935 und 1936 geborenen Kindern auch wohnte. Den dort entstandenen Thoraschrein nahm Cohen bei seiner Deportation nach Theresienstadt mit. 1944 wurden Leon Daniel Cohen und seine Familie in Auschwitz ermordet.
Der Thoraschrein, der als Leihgabe in die in Kooperation mit dem deutschen Freundeskreis Yad Vashem erarbeitete Ausstellung im Altonaer Museum kommt, bildet den Ausgangspunkt für eine Suche nach Erinnerungsspuren, die Leon Daniel Cohen und seine Familie in Hamburg-Altona hinterlassen haben. Wo haben sie gelebt und gearbeitet? Welche Personen gehörten sonst noch zur Familie? Anhand von Fotos und Dokumenten aus dem Familienbesitz, die sich mittlerweile in der Sammlung des Stadtteilarchivs Ottensen befinden, und anhand von Archivalien aus Yad Vashem werden die Spuren einer Familie erkennbar, die jahrhundertelang in Altona ansässig war und eine wichtige Rolle in der jüdischen Gemeinde spielte. Dennoch bleiben in der Rekonstruktion des Lebensweges der Familie Cohen viele Leerstellen.
Deshalb wird in der Ausstellung ergänzend die Geschichte von Käthe Starke-Goldschmidt in den Blick genommen, die ebenfalls von Altona nach Theresienstadt deportiert wurde, die Shoa jedoch glücklicherweise überlebte. Bei ihrer Rückkehr nach Hamburg brachte Käthe Starke-Goldschmidt ein Konvolut von im Geheimen gesammelten Zeichnungen und Dokumenten aus dem KZ Theresienstadt mit, die einen Blick auf die Lagersituation der Deportierten ermöglichen - und zwar aus deren eigener Sicht. Künstler wie Alfred Bergel, Karel Fleischmann, Felix Bloch oder Otto Ungar hielten Arbeitseinsätze, geheime Gottesdienste auf Dachböden oder die Ankunftsszenarien von Deportieren fest. Heute ist dieses „Theresienstadt Konvolut“ Teil der Sammlung des Altonaer Museums. Käthe Starke-Goldschmidts Nachlass befindet sich in der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte und liefert viele Informationen zu ihrem Leben in Altona in den 1930er und 1940er Jahren. Außerdem erlaubt der Nachlass einen detaillierten Einblick in die Verhältnisse im KZ Theresienstadt. Erhalten haben sich ihre Lebensmittelmarken, Befehle zur Teilnahme an den Dreharbeiten für einen NS-Propagandafilm sowie ihre Briefe und Postkarten. Über die Lebensgeschichte von Käthe Starke-Goldschmidt und mit dem von ihr zusammengetragenen Material lassen sich somit auch einige Rückschlüsse auf die Situation der Familie Cohen herstellen. Doch Käthe Starke-Goldschmidts Lebensweg ging nach 1945 weiter. Jahrelang kämpfte sie um die Rückgabe ihres von den Nationalsozialisten verfolgungsbedingt entzogenen Besitzes. 1975 veröffentlichte sie ein Buch mit Erinnerungen an ihre Zeit in Theresienstadt und die Menschen, auf die sie dort traf. 2021 wurde der Altonaer Bonnepark, der nach dem Arzt und Nationalsozialisten Georg Bonne benannt war, zur Erinnerung an Käthe Starke Goldschmidt in Goldschmidtpark umbenannt.
Museumstraße 23
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