Otto Herbert Hajek (1927–2005, Stuttgart) zählt zu den bedeutenden Künstler:innenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Seine Kunst prägt bis heute das Stuttgarter Stadtbild: Über 50 plastische Werke und »Kunst am Bau«-Projekte hat der Künstler in der Stadt realisiert, in der er von 1947 bis zu seinem Tod lebte. Auch den Ort, an dem heute das Kunstmuseum Stuttgart steht, verbindet eine gemeinsame Geschichte mit Hajek: 1969 verwandelte er mit den Mitteln der bildenden Kunst den stets kontrovers diskutierten Kleinen Schlossplatz in einen beliebten Kommunikationsort.

Das Verhältnis von Kunst und gebauter Umwelt wird zu seinem bestimmenden Thema, das er in zahlreichen Aufträgen für Platz- und Architekturgestaltungen weltweit umsetzt – etwa im australischen Adelaide und in Montevideo, Uruguay. Seine Plastiken im Außenraum verstand Hajek als »Zeichen«, die unbestimmten Stadtraum zu einem Erlebnis- und Erfahrungsort für den urbanen Menschen werden lassen. Mit Kunst den öffentlichen Raum zu durchdringen, um dessen Aufenthaltsqualität zu steigern und Gemeinschaft zu stiften, blieb zeitlebens ein zentrales Anliegen seines künstlerischen Schaffens.

Es würde jedoch zu kurz greifen, Hajeks Kunst auf diese gesellschaftspolitische und soziokulturelle Dimension einzuengen. In den knapp fünf Jahrzehnten seines künstlerischen Schaffens entstand ein multimediales Gesamtwerk, das sich in seiner Vielfalt der Zuordnung zu einer Kunstrichtung entzieht. Die umfassenden Bestände der O.H. Hajek-Kunststiftung, 2003 noch vom Künstler selbst gegründet, und der Otto Herbert Hajek Kunststiftung der Sparda-Bank Baden-Württemberg sind prädestiniert, diese einseitige Perspektive zu überwinden. 

Die Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart zeichnet anhand von 60 Werken die künstlerische Entwicklung des Bildhauers chronologisch nach, indem sie bewusst auf eine Trennung der Gattungen verzichtet. In der direkten Gegenüberstellung von Plastik, Malerei und Grafik wird der Variantenreichtum des geometrischkonstruktiven Formenkanons erkennbar, den sich Hajek über die Jahre erarbeitet und in unterschiedlichen Medien erprobt hat.

Seine figurativ-gegenständlichen Bronzen, Reliefs und Linolschnitte zu Beginn seiner Karriere zeigen religiös motivierte Sujets und lehnen sich stilistisch an den deutschen Expressionismus an. Parallel entstehen bereits Arbeiten, die durchdrungen sind von den Abstraktionstendenzen der Moderne. Ab Mitte der 1950er-Jahre wendet sich Hajek dem Informel zu: Charakteristisch für die filigranen Bronzen der Werkgruppen der Raumknoten und Raumschichtungen ist das Zusammenspiel gitterartiger Strukturen und organischer Formen. Diese Werke werden in der Ausstellung zusammen mit Tuschezeichnungen präsentiert; darunter die nur selten gezeigten Briefe, in denen gestische Strukturen mit dichten Farbflächen korrespondieren – und in denen sich schon seine Farbwege andeuten.

Erstmals präsentiert 1964 auf der documenta III, sind die Farbwege ein prägender Meilenstein für das gesamte Œuvre Hajeks. Bei diesen frühen Beispielen eines Environments verbindet Hajek plastische Objekte mit Farbstreifen, die sich über Boden und Wände ziehen, sodass eine räumliche Struktur entsteht. Die Grenzen zwischen Kunstwerk und Betrachter:innen, Kunstobjekt und Umraum werden damit aufgebrochen. In der Ausstellung sind Exponate zu sehen, die Hajek 1966 in der Esslinger (op) art galerie gezeigt hat, wo er die Idee der Farbwege besonders eindrücklich inszeniert hat: Die »Farbwege« endeten damals nicht im Ausstellungsraum, sondern erstreckten sich über das Gebäude, die Straßen entlang durch die Stadt bis hin zum Markplatz und über die Skulpturen vor Ort.

Ab den 1970er-Jahren wendet sich Hajek vermehrt der Malerei zu. Bei der Gestaltung seiner Gemälde greift er auf das feste Repertoire geometrischer Formen zurück, das auch seine bildhauerische Arbeit prägt – sie wirken deshalb wie zweidimensionale Plastiken. Bevorzugt in den Farben Rot, Gelb, Blau und Gold gehalten, weisen die Gemälde mit ihren gestischen Spuren in den sonst gleichmäßigen Farbräumen auf die informellen Arbeiten der frühen Jahre zurück, Diagonalen im Bild schließen wiederum an die Farbwege an.

Ein Ausstellungsraum widmet sich schließlich mit Dokumentarfilmen und Druckgrafiken den Platzgestaltungen im öffentlichen Raum.

Begleitend zur Präsentation im Kunstmuseum Stuttgart erfährt Hajeks Leitidee, Stadträume durch die ortsstiftende Kraft von Kunst zu beleben, durch die temporäre Intervention Platzprobe des Stuttgarter Kunstkollektivs UMSCHICHTEN auf dem Kleinen Schlossplatz eine Aktualisierung: Skulpturale Objekte ›erproben‹ den Platz, auf dem sie aufgestellt werden, ergänzen und hinterfragen ihn.