Mit dieser Ausstellung laden wir das Publikum ein, künstlerische Praktiken zu erkunden, die nicht institutionalisierte Wege der Erkenntnis umfassen. Sie konzentrieren sich auf Erzählungen die verschwiegen, aufgegeben oder unterdrückt wurden, mit dem Ziel, Traumata aus der Vergangenheit zu heilen, die unsere Gegenwart weiterhin prägen.
Mit einem besonderen Schwerpunkt auf die Perspektiven von Frauen reflektieren die Werke, wie wir uns das Zusammenleben in zunehmend polarisierten und fragmentierten (patriarchalischen) Gesellschaften vorstellen und aushandeln.
Sprache wird in diesem Zusammenhang zu mehr als einem Kommunikationsmittel; sie ist eine mächtige Kraft, die die sozialen und kulturellen Strukturen unserer Welt prägt und unsere Wahrnehmung des Selbst und der kollektiven Vergangenheit beeinflusst. Aber was passiert, wenn wir in einem gemeinsamen Raum nicht dieselbe Sprache sprechen oder unterschiedliche soziale Rahmenbedingungen verwenden? Diese Ausstellung hinterfragt, wie Sprache – ob gesprochen, erinnert oder vergessen – uns entweder näher bringen oder uns weiter trennen kann. Wie gehen Künstler:innen mit der mehrdeutigen Macht der Sprache, zwischen Spaltung und Vereinigung um?
Die Ausstellung untersucht, wie persönliche und kollektive Erinnerungen bewahrt, weitergegeben oder gelöscht werden. Die künstlerischen Werke kanalisieren mündliche Überlieferungen, Wissen der Vorfahren und Rituale und rekonstruieren Erzählungen, die vom institutionellen Gedächtnis oft verworfen oder an den Rand gedrängt werden. Diese „Erinnerungslandschaften - Memory Landscapes“ laden zum Nachdenken darüber ein, wie Traumata/Ereignisse der Vergangenheit durch gemeinsame Erinnerungen an Rituale, Geschichtenerzählen und andere Formen des Wissensaustauschs wieder aufgegriffen und möglicherweise überkommen werden können.
Die mündlichen also gesprochenen Worte als nicht geschriebene Formen der Bewahrung von Geschichte werden als wichtige Instrumente für kulturelles Überleben und Widerstandsfähigkeit untersucht. Diese Künstlerinnen denken darüber nach, wie mündliche Überlieferungen, insbesondere solche, die in matriarchalischen oder indigenen Gesellschaften verwurzelt sind, sich der Auslöschung dominanter patriarchalischer oder kolonialer Erzählungen widersetzen.
Während wir uns durch den Ausstellungsraum bewegen, versuchen wir, den Nationalismus sowohl durch die Linse der Kritik als auch der Dekonstruktion zu untersuchen. Die Künstlerinnen untersuchen die Rolle des Nationalismus bei der Gestaltung von Identitäten, oft aus einer ausgrenzenden oder ethnozentrischen Perspektive, und hinterfragen gleichzeitig sein Potenzial für Solidarität. In einer Welt, die mit zunehmend starren nationalen Grenzen und ausgrenzenden Identitäten zu kämpfen hat, verweisen die Arbeiten auf gemeinsame Symbole und Elemente aus verschiedenen Kulturlandschaften und die damit einhergehende Gemeinsamkeit. Die Kunstwerke laden die Betrachter ein, darüber nachzudenken, wie der Nationalismus auf eine Weise transformiert und neu erfunden werden kann, die Freundschaft und Solidarität statt Spaltung fördert.
Freundschaft und Solidarität sind Schlüsselelemente der Ausstellung und spiegeln die Praktiken von Künstlerinnen wider, die nach Wegen suchen, um Polarisierung zu steuern und ihr zu widerstehen. Die Arbeiten betonen das Teilen von Räumen, Geschichten und Wissen als Mittel, um Gräben zu überbrücken und Gemeinsamkeiten in unseren Erfahrungen zu finden. Wie Silvia Federici schreibt, „sind Frauen die wichtigste soziale Kraft, die einer vollständigen Kommerzialisierung der Natur im Wege steht.“ Dieses Gefühl spiegelt sich in der Reflexion der Ausstellung über die Bedeutung nichtkapitalistischer und nichtausbeuterischer Lebensweisen wider, des Widerstands durch Fürsorge, Gemeinschaft und das Land.
Letztendlich ist diese Ausstellung ein Aufruf, unser Zusammenleben zu überdenken. Sie lenkt den Fokus weg von Konkurrenz, Trennung und Konflikt und lädt die Besuchenden ein, Solidarität, Freundschaft und gemeinsame Geschichten als Wege zur Wiedergutmachung zu entdecken. Sie fordert uns auf, die Strukturen, die uns trennen, zu überdenken und jene zu akzeptieren, die Einheit und gemeinsame Fürsorge fördern. Räume gemeinsamer Menschlichkeit schaffen, in denen wir nicht durch Gleichheit, sondern durch Solidarität trotz unserer Unterschiede zusammenkommen.
Katraina Jazbec studierte Wirtschaft an der Faculty of Economics in Ljubljana, Slovenien und Fotografie an der Akademie voor Kunst, St. Joost in Breda, Niederlande.
Ihr Kurzfilm "You Can't Automate Me" gewann 2020 den RTM Pitch beim Internationalen Film Festival in Rotterdam und war 2022 long-listed in der Dokumentarkurzfilm - Kategorie bei den Academy Awards (Oscars). Sie war von 2022 - 2024 Resident an der Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam, NL.
Natalia Papaeva studierte Advertising in St. Petersburg und Kunst an der Royal Academy of Art in Den Haag. Sie erhielt ein Emerging Artists Stipendium vom Mondriaan Fonds und Förderungen vom Prins Bernhard Cultuurfonds und der Justine Borkes Foundation. Sie war von 2022 - 2024 Resident an der Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam, NL
irág Szentkirályi studierte Kunstgeschichte B.A. und Museum Curator M.A. an der University of Amsterdam. Sie war von 2014-15 Assistenzkuratorin im Tropenmuseum, Amsterdam, 2021 - 2024 Artistic coordinator an der Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam. Und ist seit 2023 Mitglied des Vorstands bei PAKT, Amsterdam, NL.
Jero van Nieuwkoop ist niederländischer Künstler und Kurator. Er lebt und arbeitet seit 2013 in Kassel und wurde 2017 zum Vorstandsvorsitzenden im Kasseler Kunstverein gewählt. Jero van Nieuwkoop ist Mitbegründer von „Raamwerk | Studio für Kunst Sozial Kommerz“ in Kassel.
Öffnungszeiten:
Dienstag - Mittwoch: 11:00 - 18:00 Uhr
Donnerstag: 11:00 - 20:00 Uhr
Freitag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen
Weitere Informationen direkt unter: kasselerkunstverein.de
Friedrichsplatz 18
34117 Kassel