Die belgische Künstlerin Berlinde De Bruyckere (*1964) zählt zu den bedeutenden Bildhauern der Gegenwart. Ihr Werk wird international beachtet; 2024 sorgten Arbeiten De Bruyckeres im Rahmen der Biennale von Venedig für Aufsehen, und derzeit ehrt das Bozar in Brüssel sie mit einer umfangreichen Soloschau. »Lift Not the Painted Veil« ist ihre erste Einzelausstellung in Hamburg.
Existenzielle Dimensionen des Menschseins stehen im Zentrum ihres plastischen und zeichnerischen Schaffens, es kreist um Gewalt und Verletzlichkeit, Begehren und Zwänge, Verlust und Trost, Schmerz und die Sehnsucht nach Transzendenz. Wucht und Zartheit solcher Empfindungen evoziert De Bruyckere in körperbetonten, oft raumgreifenden Skulpturen; Decken und Tierfelle, Holz und Wachs zählen zu ihren bevorzugten Materialien. Organische Abstraktion und eine mitunter hyperrealistische Figuration verschmelzen in Arbeiten von großer Eindringlichkeit. Dabei gestaltet De Bruyckere universelle gültige Bilder vor dem Hintergrund reicher europäischer Darstellungstraditionen, spannt weite Bögen zwischen Mythologie, christlicher Ikonografie und Themen unserer Zeit.
Im Herbst 2021 besuchte Berlinde De Bruyckere unser Museum. Sie war beeindruckt von den Holzskulpturen Ernst Barlachs (1870–1938), dessen besondere Relevanz für ihr Werk und unsere Gegenwart sie betont. Barlachs Hölzer gaben ihr den Impuls, ein früheres Interesse an polychromer Skulptur wieder aufzugreifen. Das erste Werk, das aus dieser Auseinandersetzung hervorging, feiert bei uns seine Ausstellungspremiere. Daneben zeigt De Bruyckere ausgewählte Skulpturen und Zeichnungen aus mehr als drei Jahrzehnten im Dialog mit Arbeiten Barlachs aus unserer Sammlung.
Als Titel für ihr Zwiegespräch hat Berlinde De Bruyckere eine Gedichtzeile des englischen Romantikers Percy Bysshe Shelley (1792–1822) gewählt: »Heb nicht den bemalten Schleier, der Lebenden das Leben ist«.
Baron-Voght-Straße 50a (Jenischpark)
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