Piet Mondrian ist überall. Von Kleidern und Konsumartikeln bis hin zu Häuserfassaden. Kaum eine andere künstlerische Position wurde so vielfältig zitiert und variiert. Das Kunstmuseum Wolfsburg präsentiert vom 11. März bis 16. Juli, wie die Kunst von Piet Mondrian in nahezu alle Bereiche des Lebens vorgedrungen ist. Re-Inventing Piet. Mondrian und die Folgen ist die bisher umfangreichste Präsentation zu Mondrians Einfluss auf die Kunst und Kultur des 20. und 21. Jahrhunderts. Sie zeigt eine einmalige Bandbreite von Kunst, Mode, Beispielen aus der Werbung, der Architektur und dem Design: Werke unmittelbarer Zeitgenoss*innen wie Theo van Doesburg oder Sophie Taeuber-Arp, die berühmten Mondrian-Kleider von Yves Saint Laurent sowie zahlreiche Arbeiten von Künstler*innen der Gegenwart wie Sylvie Fleury, Remy Jungerman, Sarah Morris oder Mathieu Mercier.

„Re-Inventing Piet. Mondrian und die Folgen knüpft an die Tradition des Kunstmuseum Wolfsburg an, immer wieder auch Positionen der Klassischen Moderne zu präsentieren. Dabei blicken wir auf die außerordentliche Rezeptionsgeschichte von Mondrians bekanntesten Werken der ,Neuen Gestaltung‘. Seine eingängigen Kompositionen dieser Schaffensphase, die Kombination aus schwarzen Linien und den Primärfarben Rot, Gelb und Blau, haben die Kunstwelt nichts weniger als revolutioniert. Mondrian forderte zwar selbst, Kunst und Leben zu verbinden, aber die vielen Adaptionen und Variationen seiner Werke konnte er nicht vorhersehen. Viele Ikonen Mondrians durchlaufen in modifizierter Form mehrere Medien und kulturelle Sphären, bis sie in Form eines neuen Werkes wieder in den Kunstkontext zurückkehren,“ so Andreas Beitin, Direktor und Kurator der Ausstellung.

Anhand von rund 120 Kunstwerken und Objekten gibt die Ausstellung einen Einblick in die facettenreiche Auseinandersetzung mit dem Hauptwerk Mondrians. Der Künstler selbst bezeichnete seinen richtungsweisenden Malstil in seinen kunsttheoretischen Schriften als „Neue Gestaltung“ oder „Neoplastizismus“. Eine Auswahl von Werken Piet Mondrians aus der Zeit von 1913–1936 ist in einem zentralen Rundbau zu sehen. Von hier aus lassen sich Verbindungslinien zu den zahlreichen Variationen seiner Arbeiten ziehen.

Bring your own Mondrian heißt das partizipative Projekt, das Besucher*innen zu Beginn der Ausstellung empfängt und sie einlädt, eigene „Mondrianalien“ mitzubringen. Bereits hier offenbart sich die kommerzielle Vereinnahmung der „Marke Mondrian“. Mit dazu beigetragen hat der Designer Yves Saint Laurent. Seine berühmten Cocktailkleider überführen Mondrians Ideen in den 1960er-Jahren in die Welt der Haute-Couture. Sylvie Fleury thematisiert in ihrer Arbeit Mondrian Boots (1992) eben diese Aneignung der Kunst durch die Fashionindustrie.

Piet Mondrian gehörte am Beginn des 20. Jahrhunderts zur niederländischen De Stijl-Bewegung. Zahlreiche Beispiele aus diesem Umfeld führen vor Augen, dass in den 1910er-Jahren auch Künstlerkolleg*innen wie Bart van der Leck, Theo van Doesburg oder Gerrit Rietveld nach neuen Formen der Gestaltung strebten. Später, in Paris, verkehrte Mondrian in konstruktivistischen Kreisen. Mit Künstler*innen wie Sophie Taeuber-Arp oder Marlow Moss verband ihn der Wunsch nach einer Stärkung abstrakter Tendenzen in der Kunst. Nach seiner Emigration in die USA 1940 teilte er mit Lee Krasner die Leidenschaften für Jazz und Rhythmus in der Malerei.

Piet Mondrians Einfluss auf folgende Künstler*innen-Generationen wird durch verschiedene Positionen vorgestellt. Sie sind nach formalen Kriterien zusammengestellt, die sich in folgende Bereiche gliedern: Konstruktion / Dekonstruktion, Rekonstruktion, Subversion, Fusion und Reflexion / Rezeption. Werke von Hal Busse, Sarah Morris oder auch die immersive Installation Pier and Ocean (2014) der Künstler François Morellet und Tadashi Kawamata stehen im Spannungsfeld von Konstruktion und Dekonstruktion. Zu den Rekonstruktionen – also jenen Werken, die konkrete Mondrian-Arbeiten nachbilden oder im Stil von Mondrian gehalten sind – zählt die Arbeit Composition with Yellow and Blue (1996), bei der der New Yorker Tom Sachs mit Gaffertape auf einer Sperrholzplatte gearbeitet hat. Mit der Rezeption von Piet Mondrian befasst sich auch Melissa Gordon, die sich in ihren Arbeiten auf Sekundärliteratur zu Mondrian bezieht. Der Fotograf Jörg Sasse spürt Mondrian-Anleihen in Alltagsgegenständen der deutschen Nachkriegszeit nach. Mondrian-Adaptionen aus der Architektur (u. a. von Yaacov Agam) werden über Projektionen präsentiert.

Re-Inventing Piet. Mondrian und die Folgen ist ein ganzer Kosmos an Hommagen, intelligenten Neuinterpretationen und Persiflagen. Die Schau wird in Kooperation mit dem Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen realisiert, wo sie vom 9. September 2023 – 7. Januar 2024 zu sehen sein wird.

Im Rahmen der Ausstellung wird die Online-Lernplattform Studio Digital um Piet Mondrians „Werke“ erweitert. Ein zusätzliches Kreativ-Tool wird entwickelt, sodass Schüler*innen und User*innen ihren eigenen „Mondrian“ gestalten können. Das Tool ist in Kürze abrufbar unter: studiodigital.kunstmuseum.de.

Begleitend zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Publikation im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König. Sie ist großzügig bebildert (ca. 300 Seiten, 300 Abb.) enthält neben einer Einleitung von Andreas Beitin Texte von Friedrich von Borries, Nancy J. Troy, Wolfgang Ullrich und Marek Wieczorek. Herausgegeben wird die deutsch-englische Publikation von Andreas Beitin und René Zechlin. Gestaltung: Studio S/M/L, Berlin. Erhältlich für 39 € im Museumsshop oder unter kunstmuseum.de/shop.