1842 bricht eine preußische Expedition an den Nil auf, um die antiken Denkmäler der ägyptischen Kultur für die im Entstehen begriffene Wissenschaft der Ägyptologie zu dokumentieren und Objekte für das Neue Museum zu sammeln. Die Sonderausstellung dokumentiert diese abenteuerliche Reise des kleinen Forscherteams als exemplarische wissenschaftliche Unternehmung des 19. Jahrhunderts, führt verstreute Materialien zusammen und verdeutlicht die Aktualität alter Museums- und Archivbestände für die moderne Forschung.

Im Sommer 1842 brechen die Teilnehmer der königlich preußischen Expedition zu einer dreijährigen Reise an den Nil auf. Ziel ist die epigraphisch-historische Erforschung der antiken Kultur im Niltal bis hinauf zum Blauen Nil und das Sammeln von antiken Objekten für das Ägyptische Museum in Berlin. Der Ägyptologe und Sprachwissenschaftler Richard Lepsius plant die Expedition im Vorfeld minutiös. Nach neuestem Forschungsstand wählt er die zu erforschenden Stationen aus und stellt die Gruppe der Teilnehmer zusammen, die ihn begleiten sollen. Dies sind der Landschaftsmaler Johann Frey und der Zeichner Ernst Weidenbach, der Architekt Georg Erbkam und der Gipsformer Carl Franke. Jüngstes Mitglied der Expedition ist Max Weidenbach, der von Lepsius speziell im Hieroglyphenzeichnen ausgebildet ist und den Dokumentationsstil der Expedition entscheidend prägt. Er ist es, der nachträglich die Hieroglyphen in die Zeichnungen von Frey, dem später zur Expedition hinzustoßenden Otto Georgi und seinem Bruder Ernst Weidenbach einsetzt.

Die materielle Ausbeute der Expedition ist enorm: Über 1.300 Zeichnungen, mehr als 7.400 Abklatsche und zahlreiche Gipsabdrücke entstehen, dutzende Notizbücher werden gefüllt. Als Geschenk für den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. genehmigt der ägyptischen Gouverneur Mehmet Ali die Ausfuhr von 1.900 Objekten – damals trotz der Antikengesetze ein ungeheures Privileg. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Materialien erfolgt von 1849 bis 1859 in zwölf großen Foliantenbänden als „Denkmaeler aus Aegypten und Aethiopien“ und bildet künftig einen Eckpfeiler der deutschsprachigen Ägyptologie. Es liegen jetzt verlässliche Kopien ägyptischer Schriftzeugnisse in Hülle und Fülle für historische und kunstgeschichtliche oder bauforscherische Untersuchungen vor. Gleichzeitig schließt das Berliner Museum mit seinen Beständen zu den bedeutendsten ägyptischen Sammlungen der Zeit in London, Paris und Turin auf und vermittelt über seine Innenausstattung den Besucher*innen einen Eindruck dieser abenteuerlichen Reise. Lepsius erhält dafür nach JeanFrançois Champollion, dem Entzifferer der Hieroglyphen, die erste Professur für Ägyptologie an der Berliner Universität und wird später Direktor des Ägyptischen Museums.

Ohne ausgeprägtes Teamwork wäre dies alles nicht erreicht worden. Die Tagebucheinträge erwecken das mitunter abenteuerliche Leben im Zeltlager, die Wüstendurchquerungen, die Fahrten durch die Nilkatarakte, die Versorgungsschwierigkeiten zum Leben. Sie berichten von den kleinen Krankheiten, der großen Arbeitsbelastung der Teilnehmenden, ihren nicht immer einfachen Beziehungen untereinander und dem kräftezehrenden Aufenthalt in einer fremden Kultur in gänzlich anderem Klima.

Die Sonderausstellung zeichnet den Weg der Expedition durch Ägypten und Nubien nach, begleitet den Vorgang vom Sammeln zum Publizieren und führt die gesammelten Materialien, die heute auf verschiedene Berliner Institutionen verteilt sind, erstmals wieder mit den Objekten aus dem Ägyptischen Museum zusammen: Zeichnungen und Abklatsche aus der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Skizzen aus Kunstbibliothek, Kupferstichkabinett und Privatsammlungen, Objekte aus der Byzantinischen Sammlung, Mineralien, Fossilien, Flora und Fauna aus dem Museum für Naturkunde.

Einzelne Stationen erläutern die Arbeitsmethoden, die arbeitsteilige Organisation des Expeditionsalltags und erzählen von der Wichtigkeit alter Funde und Befunde im Licht der modernen Wissenschaften. Bei der Auswahl hat Lepsius ein erstaunliches Geschick bewiesen, vielleicht auch Glück. In vielerlei Hinsicht konnte er mit dem damaligen Wissensstand die Bedeutung der Objekte nicht abschätzen – häufig gelingt dies erst im Zuge der jüngsten Forschungen.

Die Ausstellung wird kuratiert von Jana Helmbold-Doyé, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ägyptischen Museum und Papyrussammlung.


Öffnungszeiten:
Dienstag - Mittwoch: 10:00 - 18:00 Uhr
Donnerstag: 10:00 - 20:00 Uhr
Freitag - Sonntag: 10:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: smb.museum

Wand aus dem Grab des Prinzen Merib, Aquarellzeichnung, © Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
15.10.2022 - 07.03.2023

Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842–45

Neues Museum

Bodestraße
10178 Berlin