Das Bucerius Kunst Forum thematisiert mit der Ausstellung Die neuen Bilder des Augustus einen zentralen Aspekt antiker Bildkultur: den regelrechten Bilderboom, der sich unter dem ersten römischen Kaiser Bahn bricht. Im Fokus der von Prof. Dr. Andreas Hoffmann und Prof. Dr. Annette Haug kuratierten Ausstellung steht ein neues Verständnis von Bildsprache, -strategien, -medien und -materialien dieser Zeit. Dieses wird anhand von knapp 200 Objekten - Statuen, Büsten, Reliefs, Wandgemälden, Münzen und Keramiken – von Leihgeber:innen aus ganz Europa sichtbar gemacht.

Augustus markiert einen Wendepunkt in der römischen Geschichte. Als erster Kaiser (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) besitzt er nicht nur eine immense Macht, sondern bedient sich auch neuartiger Kommunikationsstrategien. War die ausgehende Republik von Bürgerkriegen geprägt, die aus der Konkurrenz führender Familien und Feldherren wie Caesar und Pompeius resultierten, vermochte sich mit Octavian ein Alleinherrscher durchzusetzen, mit dem Ruhe einkehrte. Der Senat würdigte seine Verdienste durch die Verleihung des Ehrennamens Augustus. Dieser Übergang von der Republik zum Principat hatte nachhaltige Konsequenzen für die Bilderwelt.

Die neue ‚Lust am Bild‘ war jedoch nicht nur machtpolitisch motiviert, sondern lässt sich auch im privaten Kontext und bereits vor Augustus nachweisen. Der Bilderboom wurde durch weitere Umstände begünstigt, wie neue Produktionstechniken, die Verfügbarkeit neuer Materialien sowie den zunehmenden Reichtum in der Gesellschaft. Es sind erstmals nicht nur Eliten, die die Bildwerke beauftragen und rezipieren, sondern die Gesellschaft in der ganzen Breite. Dabei kommt in den Blick, dass sich das neue große Interesse am Bild über die verschiedensten Gattungen hinweg entwickelt hat: in der Wandmalerei, in der Skulptur, in der ‚Bebilderung‘ von Architektur, im alltäglichen Geschirr und auf Tonlampen sowie in der neuen Omnipräsenz von Bildnisstatuen und Grabreliefs.

Die Ausstellung zeigt anhand von fünf Kapiteln den neuen Umgang mit Bildern:
Das Bild des Kaisers und der Kaiserin, Neue Narrative und einprägsame Bilder, Das neue Bild der Stadt, Neue Bilder – alte Bilder. Bilder in Kult und Kaiserkult, Bilder im Haus zwischen Tradition und Innovation.

Das Bild des Kaisers macht zu Beginn der Ausstellung die Bildinnovationen anhand der Selbstdarstellung des Kaisers greifbar. Orientierten sich die frühen Bildnistypen des gerade 19-jährigen jungen Octavian, des Alleinerben Caesars an der hellenistischen Formensprache, griff ein späterer im Jahr 27 v. Chr. oder kurz danach geschaffener Entwurf auf den klassizistischen Stil zurück. Der Stil wird hier als Bedeutungsträger eingesetzt, um Augustus mit Qualitäten wie dignitas und auctoritas zu versehen, die seine Ernsthaftigkeit, Würde, Ansehen und Einfluss unterstreichen. Zudem gab es das Bild des Kaisers in einer Omnipräsenz, die es zuvor nicht gegeben hatte. Sein Abbild war in Rom, in den Städten des Reiches und den Provinzen überall sichtbar. Es diente damit auch als Mittel der Kommunikation zwischen Kaiser und Volk. Die serienhafte Produktion der Bilder wurde durch das neue Kopistenwesen und das neu verfügbare Material Marmor aus den Steinbrüchen von Luni (Carrara) ermöglicht.
Erstmals wurde zudem mit Augustus nicht nur eine führende Figur, sondern eine ganze Familie mit entsprechenden Ehrungen versehen – ähnliches war zuvor nur im Umkreis hellenistischer Könige und Königinnen anzutreffen. Mit dem Bild der Kaiserin Livia rückte erstmals auch das Bild einer prominenten Frau in den Fokus der Öffentlichkeit, deren Image nicht weniger kuratiert wurde als jenes des Kaisers selbst.
Als Bildmedien waren neben den Statuen Bildnis-Büsten neu, die kostengünstiger hergestellt und in neuen räumlichen Kontexten aufgestellt werden konnten. Als weiteres Bildmedium sorgten Münzen mit dem Augustus-Porträt für reichsweite Verbreitung in der breiten Bevölkerung. In Luxusmedien wie den Kameen, die wohl als Prunkobjekte im Besitz der kaiserlichen Elite waren, experimentierte man hingegen mit Bildentwürfen, die Augustus mit einer Aura des Göttlichen umgaben.

Augustus nutzte für seine Selbstdarstellung zudem neue Narrative über die Geschichte der Stadt Rom, die göttliche Herkunft seiner Familie, seine Erfolge oder die Sieghaftigkeit des Kaisers im Allgemeinen, die in Bildern dargestellt wurden. Das vielleicht prominenteste Narrativ augusteischer Zeit wird in Vergils Aeneis formuliert. Kernfigur ist der trojanische Prinz Aeneas, der mit seinem Vater Anchises und seinem Sohn Ascanius aus dem brennenden Troja flieht. Die Geretteten gründen in Latium mehrere Städte, darunter auch Alba Longa, die Mutterstadt Roms. Am neu errichteten Augustusforum werden die Statuen der verdienten Ahnen, darunter eben auch eine Gruppe von Aeneas, Ascanius und Anchises zur Schau gestellt und die Bildidee im ganzen Reich rezipiert.

Das Stadtbild Roms wurde zur Zeit von Augustus durch prominente Bauvorhaben verändert. Für die Bevölkerung der Stadt Rom wurde die neue augusteische Ära sicher darin besonders erlebbar, dass sich Rom in eine Großbaustelle verwandelte. Neben den neuen architektonischen Bauten, sorgte auch die Oberflächengestaltung mit Marmor im öffentlichen und privaten Bereich für neue ästhetische Effekte. Die Bauten und auch die Bauvorhaben wurden auf Münzen gezeigt und so an die Bürger:innen im ganzen Reich kommuniziert. Wurden zuvor besonders Heiligtümer mit Bildern versehen, wurden jetzt auch die neuen Bauten als Bildträger verwendet.

Den Tempeln und Altären für den Kult und Kaiserkult ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Der programmatische Rückbezug des Augustusforums auf das klassische Athen und mit ihm auf originär klassische Bild- und Ornamentformen wurde für gebildeten Betrachter in den Karyatiden der Attikazone, maßgleichen Kopien der Karyatiden des Athener Erechtheions, besonders unmittelbar greifbar.
Ein weiteres Prestigeprojekt stellt das Apollo-Heiligtum auf dem Palatin dar. Um die Altehrwürdigkeit des Kultes in unmittelbarer Nähe des kaiserlichen Wohnhauses in Szene zu setzen, griff man für die Ausstattung auf archaistische und klassizistische Bilder zurück – etwa die Danaiden, die vielleicht in dem zum Tempel gehörigen Portikus aufgestellt waren.
Eine besondere Rolle spielten Tempel und Altäre, die für den Kult des Kaisers und seiner Familie eingerichtet wurden. Dass Augustus in Rom selbst bzw. in Italien bereits zu Lebzeiten gottgleiche Ehrungen empfing, d.h. als Divus verehrt wurde, hat man lange Zeit für ausgeschlossen gehalten. Dies muss möglicherweise überdacht werden, scheinen die einzelnen Städte mit dem Kaiserhof die Ehrungen doch individuell ausgehandelt zu haben. Das Beispiel des nachaugusteischen Augusteums in Herculaneum vermag zu zeigen, dass schon kurze Zeit nach dem Tod des Augustus in einer Vielzahl von Städten entsprechende Kaiserkultheiligtümer entstanden.

Im letzten Kapitel der Ausstellung Bilder im Haus zwischen Tradition und Innovation zeigt diese, dass das Interesse am Bild im privaten Bereich in dieser Zeit ebenso bestand und sogar schon früher nachweisbar ist. Schon der zweite Stil (ab ca. 80 v. Chr.) führte ein Spiel mit verschiedenen Medien ein, in der sich ein gestiegenes Interesse mit dem Phänomen Bild artikulierte. Nach der Mitte des 1. Jhs. v. Chr., dann aber vor allem im sog. dritten Stil, verlagert sich das Interesse immer stärker auf die Präsentation von Bildern im Zentrum einer Wand. Neben Landschaften werden erstmals in großem Umfang mythologische Themen gezeigt. Die häuslichen Räume werden nun zu regelrechten ‚Pinakotheken‘. Die neue Lust am Bild in augusteischer Zeit steht somit in einer langen Tradition des Experimentierens mit verschiedenen Dekor- und Bildkonzepten. Neben den Malereien des dritten Stils gilt dies auch für die Skulpturen, marmorne Dreifüße und Kandelaber, welche die Gärten der Reichen bevölkerten. Auch das Tafelgeschirr wurde als Bildträger entdeckt. Die Themen kreisen um die Welt des Bacchus und der Venus und sind von der öffentlich- politischen Bildkultur weit entfernt.