In aufeinanderfolgenden „Feldversuchen“ setzt das Museum Abteiberg 2023 die Bearbeitung und Präsentation von SAMMLUNG/ARCHIV ANDERSCH, der umfangreichen Fluxus-Kollektion von Dorothee und Erik Andersch, fort. Die alphabetisch strukturierte Versuchsreihe ermöglicht erste Einblicke in die 2017 mit Förderung durch die Kulturstiftung der Länder, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, die Kunststiftung NRW und die Hans Fries-Stiftung erworbenen Bestände von über 50 Künstler*innen des erweiterten Fluxus-Netzwerks.

Feldversuch #3: Fine – Knowles reiht sich in die Erprobung verschiedener Elemente für ein Schaumagazin ein, in dem SAMMLUNG/ARCHIV ANDERSCH langfristig untergebracht werden soll: In Feldversuch #1: Beuys (2021/22) veranschaulichten Archiv-, Vitrinen- und Grafikschränke erstmals Teile einer möglichen Möblierung des geplanten Schaumagazins. Feldversuch #2: Brecht – Filliou (2022/23) erprobte erste Ansätze zur Vermittlung der Forschungsergebnisse in Form von Texten im Ausstellungsraum. Feldversuch #3: Fine – Knowles setzt nun auf partizipative Vermittlungsformate, in denen Kunst ganz im Sinne von Fluxus mit dem alltäglichen Leben der Besucher*innen verbunden wird.

Schon während der Eröffnung steht deshalb anstelle der sonst üblichen offiziellen Reden das Gespräch im Zentrum. So gibt es die Möglichkeit, in einem offenen Mail Art-Workshop für alle Altersstufen Postkarten zu gestalten. Die Ergebnisse werden an die Bewohner*innen des Mönchengladbacher Altenheimes Haus am Buchenhain verschickt. Zudem organisieren die MG_Artfriends, die jungen Freunde des Museums Abteiberg, in Kooperation mit Slow Food Düsseldorf – Mönchengladbach (Partner der Initiative Ernährungsrat Mönchengladbach) eine Schnippeldisko mit geretteten Lebensmitteln. In Anlehnung an Arbeiten von Alison Knowles sind die Besucher*innen zum gemeinsamen Kochen und Essen eingeladen. Gespräche mit den Kuratorinnen liefern am Eröffnungsabend weitere Informationen zum Konzept der Ausstellung und zu den präsentierten Künstler*innen.

Im prä-digitalen Fluxus-Netzwerk der 1960er und 70er Jahre nahmen Künstler*innen, Organisator*innen und Unterstützer*innen oftmals per Post Kontakt zueinander auf. In diesem Sinne wird die Mail Art-Aktion während der gesamten Ausstellungslaufzeit fortgeführt. Hierfür werden im Museum Blanko-Postkarten zur Verfügung gestellt, die zu Hause oder direkt vor Ort gestaltet werden können. Die an der Museumskasse abgegebenen Karten werden ebenfalls an das Altenheim weitergeleitet, um den sozialen und gesellschaftlichen Raum außerhalb der Ausstellung einzubeziehen.

Zudem finden regelmäßig Ausstellungsgespräche und Themenführungen statt, bei denen verschiedene künstlerische Positionen in den Blick genommen werden. So spielt Musik in Feldversuch #3 eine große Rolle: Neben Werken von Dick Higgins und Milan Knižák veranschaulichen die Solar-Instrumente von Joe Jones, wie Fluxus-Künstler*innen die Gattungsgrenzen zwischen bildender Kunst und Musik durchlässig machen. Eine in den Ausstellungsräumen hörbar gemachte Schallplatte von Joe Jones und eine Spotify-Playlist geben davon einen akustischen Eindruck.

Dass das Sammlerpaar Dorothee und Erik Andersch Fluxus als ein offenes, fließendes Netzwerk verstand, wird in Feldversuch #3: Fine – Knowles erneut deutlich. Neben Objekten und Dokumenten von unter anderem Albert M. Fine, Al Hansen, Geoffrey Hendricks, Dick Higgins, Joe Jones, Milan Knižák und Alison Knowles präsentiert das Museum Abteiberg in der alphabetischen Übersicht seiner Kollektion auch Bestände von Dorothy Iannone und Allan Kaprow. Gerade die beiden Letzteren gehörten eher zum erweiterten Umfeld als zum engeren Fluxus-Kreis.

Auch wenn Dorothy Iannone 1979 sagt: „I am she who is not Fluxus“, steht sie zwischen 1968 und 1974 in engem Kontakt mit dem Fluxus-Netzwerk in Düsseldorf. In dieser Zeit entstehen beispielsweise ihre Complimentary Cards (1971)und Uncomplimentary Cards (1971). Es handelt sich um kleine Schachteln, die jeweils 75 Karteikärtchen mit Komplimenten bzw. Nichtkomplimenten auf Englisch und Deutsch beinhalten. Die deutsche Übersetzung stammt von Fluxus-Künstler Tomas Schmit. Außerdem bedient sie sich einem für Fluxus typischen Medium: der Schachtel.

Auch Lebensmittel sind ein wichtiges Medium von Fluxus. Alison Knowles setzt sich in ihrem künstlerischen Schaffen beispielsweise immer wieder mit den Themen Essen und Nahrung auseinander und bereitet 1962 in ihrer Performance Make a salad erstmals einen Salat für das Publikum zu. Im Jahr darauf rückt mit dem Multiple Bean Rolls (1963) die Bohne ins Zentrum ihrer Arbeit. Anknüpfend daran werden die MG_Artfriends in Kooperation mit Slow Food Düsseldorf – Mönchengladbach zur Eröffnung zusammen mit den Besucher*innen ein Bohnengericht zubereiten.

Ab Mai 1968 lernt Erik Andersch unter anderem über Dorothy Iannone viele Künstler*innen aus dem internationalen Fluxus-Umfeld und der rheinischen Kunstszene kennen. Es entstehen zahlreiche Freundschaften und ein den Fluxus-Begriff weitfassendes Netzwerk. In diesem rheinischen Knotenpunkt leben und arbeiten die Künstler*innen und Dorothee und Erik Andersch in engem Kontakt zueinander und lassen mitunter konzeptuelle Ideen und Gedanken des Fluxus-Netzwerks der frühen 1960er Jahre wiederaufleben.


Öffnungszeiten:
Dienstag - Freitag: 11:00 - 17:00 Uhr
Samstag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
an jedem 3. Donnerstag im Monat: 11:00 - 22:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: museum-abteiberg.de