Die Kunsthalle Bremen begrüßt ab sofort eine begehbare Installation des Künstlers Ben Vautier (*1935 in Neapel, lebt in Frankreich). Der bizarre Kunstladen ist ein Hauptwerk des französisch-schweizerischen Fluxus-Künstlers und eine außerordentliche Bereicherung der Sammlung des Museums. Das bedeutende Werk ist ein Geschenk der Karin und Uwe Hollweg Stiftung zum 200-jährigen Jubiläum des Kunstvereins in Bremen.

Ben Vautiers „Bizart Baz’art“ (2002/03) besteht aus 351 Objekten und Texttafeln, die außen sowie innen am kioskähnlichen Gebäude angebracht sind. Ausrangierte Gebrauchsgegenstände, Kunstwerke zweifelhafter Qualität und Vautiers handgeschriebene Slogans sind wie in einem riesigen Puzzle direkt aneinandergereiht. In einem komplexen Geflecht beziehen sich die Teile aufeinander und laden ein, den bizarren Kunstbasar von allen Seiten zu erforschen. Die Arbeit wurde seinerzeit von Christoph Grunenberg in Auftrag gegeben.

Art Total und Fluxus
Der überbordende, begehbare Kiosk erinnert an den Laden in Nizza, in dem Ben Vautier ab 1958 gebrauchte Schallplatten verkaufte und später auch Ausstellungen organisierte. Bereits hier nagelte er Objekte und Schrifttafeln an die Ladenfassaden, die sich heute in der Installation in der Sammlung des Centre Pompidou in Paris befinden. Seit den 1950er Jahren sind handschriftlich verfasste Worte und kurze prägnante Sätze das zentrale Werkzeug für Ben Vautier, um sein künstlerisches Konzept zu transportieren. Beeindruckt durch die Readymade-Idee von Marcel Duchamp, der gefundene Gegenstände zu Kunstwerken erklärte, entschied sich Ben Vautier, die ganze Welt zu seinem Atelier und alles auf der Welt zu seinem künstlerischen Material zu machen. So signierte er etwa alle möglichen Dinge, die bisher noch keine Signatur hatten – Menschen, Löcher, Gott, den Horizont und vieles mehr. In seiner Serie der „Gestes“ machte er alltägliche Handlungen zu Kunstwerken wie etwa das Gehen oder das Schwimmen durch den Hafen von Nizza. Gemäß dem Fluxus-Motto „Alles ist Kunst“ hebt Vautier in seinen Werken die Grenze zwischen Kunst und alltäglichem Leben auf. 

Kunst und Konsum
Im „Bizart Baz’art“ nimmt Ben Vautier Kunst und Konsum in den Blick. Dabei spiegeln die Unmengen an unterschiedlichen Objekten und Slogans die Unersättlichkeit unserer vom Konsum geprägten Gesellschaft. Vautier setzt neben die Objekte in Schreibschrift verfasste Fragen und Aussagen auf Deutsch, Englisch und Französisch: Alles ist zu verkaufen; I don’t buy, therefore I am; Toute est marchandise; J’ai vendu mon âme à la societé de consomation (dt.: Ich habe meine Seele an die Konsumgesellschaft verkauft.); Où est le nouveau? (dt.: Wo ist das Neue?) Der bizarre Kunstbasar regt zum Nachdenken darüber an, was Kunst eigentlich ist und ob es etwas gibt, das man nicht kaufen kann. Ben Vautier erinnert sich an die Entstehung des Werkes: „Anfangs dachte ich im Geiste von Fluxus daran, alles zu zeigen, was nicht verkauft werden kann: Illusionen, Lügen, Löcher, fehlende Gegenstände, etc. Doch als ich nach unverkäuflichen Dingen suchte, wurde mir klar, dass die Mahlmaschine der Gesellschaft alles schlucken und verkaufen kann. Ich nannte es daher ‚Alles ist Ware, weil alles Kunst ist, es gibt keine Möglichkeit zu fliehen‘.“ Vautier geht es aber auch um Auswege aus dem Konsumstrudel: um das Teilen und den Tauschhandel, die Beziehung zu anderen und darum, wie Kunst möglichst viele Menschen erreichen kann.

Der Kiosk „Bizart Baz’art“ wurde 2002 für die Ausstellung „Shopping. 100 Jahre Kunst und Konsum“ in der Kunsthalle Schirn Frankfurt und Tate Liverpool in Auftrag gegeben, die von Christoph Grunenberg ko-kuratiert wurde (damals Direktor der Tate Liverpool, seit 2011 Direktor der Kunsthalle Bremen). Werke des Künstlers befinden sich in wichtigen internationalen Sammlungen wie dem Centre Pompidou, Paris; dem Museo Reina Sofia, Madrid und dem Museum of Modern Art, New York.
„Ich freue mich, dass meine Installation nun in der Kunsthalle Bremen gut aufgehoben ist. Vor allem, weil das Museum eine hervorragende Sammlung mit zeitgenössischen Installationen von John Cage, Ilya Kabakov und Nam June Paik besitzt. Mein „Bizart Baz'art“ ist somit in bester Gesellschaft.“ (Ben Vautier)

Mit ‚Bizart Baz’art‘ kommt nicht nur ein Hauptwerk von Ben Vautier und der Fluxus-Bewegung in die Sammlung der Kunsthalle Bremen, sondern auch eine spektakuläre, multimediale Installation, die ein Publikumsliebling werden sollte. Sie umfasst viele bunte und humorvolle Details, Flohmarktfunde, Soundelemente, eine rotierende Discokugel und aber auch kritische Sprüche, die die Beziehung von Kunst und Konsum hinterfragen. Außerdem verbinde ich mit dem Werk eine persönliche Geschichte: Ich habe das Werk 2002 bei Ben Vautier für die ‚Shopping‘-Ausstellung in Frankfurt am Main und Liverpool in Auftrag gegeben. Dass das Werk nun in Bremen sein Zuhause findet ist wundervoll!“ (Christoph Grunenberg, Direktor der Kunsthalle Bremen)

„Bizart Baz’art“ ist ein Geschenk der Karin und Uwe Hollweg Stiftung zum 200-jährigen Jubiläum des Kunstvereins in Bremen. Das Geschenk umfasst zudem zehn historische Plakate des Künstlers wie drei Fotografien von Aktionen und Performances. Die Stiftung hat damit ermöglicht, dass eine weitere bedeutende Installation – neben jenen von John Cage, Hanne Darboven, Ilya Kabakov und Sarah Morris – in der Kunsthalle Bremen präsentiert werden kann.