In Mittelitalien lebten zur Zeit der Gründung Roms die Etrusker. Ihre hochentwickelte Kultur und weiträumigen Beziehungen trugen nicht nur zur Entstehung der »Ewigen Stadt« im 1. Jahrtausend v. Chr. bei. Der Einfluss dieses mächtigen antiken Volkes wirkte sogar über 2.000 Jahre später als Vorbild für die Staatsgründung Italiens.

Das WeltenMuseum präsentiert in Kooperation mit dem Etruskischen Nationalmuseum, der Villa Giulia in Rom, hochkarätige Exponate des Goldschmieds und leidenschaftlichen Antikensammlers Augusto Castellani erstmals in Deutschland. Rund 100 Leihgaben, ergänzt um hauseigene Objekte, geben einen spannenden Einblick in die Welt der Eisenzeit Italiens. Gleichzeitig beleuchtet die Ausstellung die Sammlungspraxis des 19. Jahrhunderts, als die Antike in ganz Europa einen wichtigen Bezugspunkt für Gesellschaft, Politik und Wissenschaft darstellte.

Die Etrusker hatten einen großen Einfluss auf den zentralen Mittelmeerraum; die Entwicklung der Stadt Rom wäre ohne ihr Wirken vermutlich anders verlaufen. Die im Mythos überlieferten Brüder Romulus und Remus führten zur Gründung der Stadt Rom 753 v. Chr. Rituale nach etruskischem Brauch durch. Noch bis ins 5. vorchristliche Jahrhundert stellten die Etrusker die Könige in Rom.

Innovativ an dieser Ausstellung ist aber der Blick weit über die Antike hinaus. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Familie Castellani, die ihre Bedeutung vor allem ihrer Tätigkeit als Goldschmiede verdankte. Im Fokus steht die Sammlung des leidenschaftlichen Antikensammlers Augusto Castellani (1829–1914), die erstmals in Deutschland zu sehen ist. Er hat nicht nur eine große private Sammlung aufgebaut, sondern mit großem Erfolg die Funde aus den Friedhöfen der Etrusker auch als Vorbild für seine eigenen Kreationen verwendet.

Die Familie Castellani steht exemplarisch für das aufkommende Interesse an der Antike des Bürgertums im 19. Jahrhundert in ganz Europa. Neben der Freude an der Vergangenheit hatte dies auch einen politischen Hintergrund: Augusto Castellani engagierte sich während der Phase des Risorgimento, der italienischen Nationalbewegung, für die Einigung Italiens mit Rom als Hauptstadt. Römer und Etrusker wurden zum ideellen Vorbild für die Staatsgründung Italiens. Wie in vielen Staaten Europas dieser Zeit diente die ferne Vergangenheit als verbindendes Narrativ für nationale Bestrebungen. In Italien wirkten die Etrusker als Identifikationsfiguren dieser politischen Bewegungen. Daher verwundert es nicht, dass Augusto Castellani seine Antiken dem italienischen Staat vermachte.

1871 war nicht nur das Jahr, in dem Rom Hauptstadt des vereinigten Italiens wurde, sondern markiert ebenso den Beginn des deutschen Kaiserreichs. Mit der Begeisterung für die Antike wuchs gleichzeitig das Interesse an der eigenen »vaterländischen« Vergangenheit. So weiteten in Norddeutschland die Altertumsbegeisterten ihre Sammlungs- und Forschungstätigkeit auf die Region aus und legten damit den Grundstein für die archäologische Sammlung des heutigen Landesmuseums Hannover. In der Ausstellung treten die Objekte aus Italien mit der nordwestdeutschen Eisenzeit in den Dialog. Dieser Kontrast illustriert, wie unterschiedlich die Lebenswelten in den einzelnen Regionen Europas waren, dabei aber gleichzeitig weiträumige Beziehungsgeflechte im prähistorischen Europa nachweisbar sind.

Im 19. Jahrhundert galt das Interesse der Ausgräber in erster Linie ästhetisch eindrucksvollen, hervorragend erhaltenen Objekten. Es herrschte ein reger Handel mit antiken Objekten. Bestimmungen zum Denkmalschutz, altertumswissenschaftliche Konzepte und zunehmend professionalisierte Altertumswissenschaften bildeten sich erst mit der Zeit heraus. Heute liegt die Bedeutung der Funde vor allem im Kontext. Auch Scherben und andere fragmentarische Objekte können viel über die Vergangenheit erzählen. So thematisiert die Ausstellung gleichzeitig das Entstehen der modernen Archäologie.

Die Sammlung Castellani umfasst mehr als 6.000 Objekte und wird im Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia verwahrt. Die Ausstellung in Hannover zeigt besonders herausragende Exponate und würdigt die bedeutende Sammlung erstmals außerhalb Italiens. Die aus Rom geliehenen Stücke werden um Objekte aus der archäologischen Sammlung des Landesmuseums Hannover sowie durch weitere Leihgaben ergänzt. Sie repräsentieren die Sammlungspraxis der Bürger*innen Hannovers und den europäischen Zeitgeist. Ergänzt wird die Schau durch den Nachbau einer etruskischen Grabkammer, der Tomba François aus Vulci (4. Jahrhundert v. Chr.). Berühmt ist sie wegen ihrer gut erhaltenen und sehr qualitätvollen Fresken.

Die Ausstellung ist in fünf Abschnitte unterteilt:

1. In »Gründer Roms« wird die Sammlungspraxis des 19. Jahrhunderts mit Verweis auf die Bedeutung der Vergangenheit für die Nationalstaatsgründung vorgestellt.
2. »Etrusker und Griechen« führt in die Eisenzeit Italiens und die engen überregionalen Beziehungen im Mittelmeerraum ein.
3. »Gräber als Spiegel des Lebens?« legt einen besonderen Fokus auf die Objekte aus den Gräbern der Etrusker, die uns Informationen über die Lebenswelten der bestatteten Personen liefern können.
4. »Die Etrusker und der Norden« zeigt exemplarisch die unterschiedlichen Lebensverhältnisse während der europäischen Eisenzeit auf und stellt Funde vor, die auf überregionale Kontakte hindeuten.
5. »Von der Privatsammlung zur modernen Wissenschaft« ist schließlich der Bedeutung der Sammlungen des 19. Jahrhunderts für die Entwicklung der Altertumswissenschaften gewidmet.

Zitate:
»Die italienische Kultur hat Deutschland seit vielen Jahrhunderten beeinflusst. Der Schwerpunkt auf italienischen Themen hat also eine lange Tradition im kulturellen Leben Hannovers und war stark geprägt von den italienischen Reiseeindrücken seiner Fürsten. Die Welfen waren stolz auf ihre Herkunft aus Italien, die Leibniz geschickt im kulturellen Wettbewerb nutzte«, so Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur

»Die RHH-Stiftung macht diese Ausstellung besonders gerne möglich, weil sie damit die herausragende Qualität des Landesmuseums Hannover unterstützen kann und damit zugleich - in diesen verwirrenden Zeiten - zur Spurensuche im europäischen Raum beitragen wird«, so Dr. Konrad Deufel, RHH-Stiftung

»Deutschland und Italien verbindet viel, wie wir bereits in der erfolgreichen Ausstellung „Nach Italien“ zeigen konnten. Mit der Kultur der Etrusker reisen wir weiter zurück in die Vergangenheit, wollen aber auch auf die Aktualität von Archäologie für nationale Bewegungen hinweisen«, so Dr. Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseums Hannover.

»Die Etrusker sind deshalb so faszinierend, da sich an ihnen so vorzüglich kulturelle Kreativität bestaunen lässt. Sie nahmen selbst vielfältige Einflüsse aus dem Mittelmeerraum auf und wurden dann selbst zu Impulsgebern auf der Italischen Halbinsel und weit darüber hinaus«, so Dr. Daniel Neumann, Kurator der Ausstellung.


Öffnungszeiten:
Dienstag - Sonntag: 10:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: landesmuseum-hannover.de