Der Hanna-Nagel-Preis geht in diesem Jahr an die in Baden-Baden lebende Künstlerin Sasha Koura. Ihre Papierinstallationen überzeugten die Jury durch den klaren, konzeptuellen Ansatz und die poetische Stille, die diesen Werken innewohnt.
Sasha Koura arbeitet mit alltäglichen, gebrauchten Papiergegenständen, unter anderem mit alten Büchern und Landkarten, an denen unübersehbar die Spuren der Vergänglichkeit augenfällig werden. Zu überraschenden Assemblagen und Arrangements zusammengestellt, hebt die Künstlerin diese übersehenen, achtlos entsorgten Fundstücke in unser Bewusstsein und verleiht ihnen eine neue Präsenz zwischen Vertrautheit und Entfremdung. 1970 in London geboren, absolvierte Sasha Koura ihr Kunststudium am Chelsea College of Art in London und der Ruskin School of Drawing and Fine Art in Oxford. Einen weiteren Abschluss erwarb sie als Master of Research in Cultural Studies an der Londoner Universität. Seit 2010 lebt sie in Deutschland. Sasha Koura arbeitet mit den Strategien der Verfremdung, Irritation und Ambivalenz, der Kontextverschiebung und Umnutzung von Gegenständen. So führt sie eine neue, ungewohnte Sicht auf die von ihr ausgewählten Dinge des täglichen Lebens vor Augen. Indem die Künstlerin Papierobjekte unterschiedlicher Art vor der Entsorgung rettet, reflektiert sie über das, was man sammelt, um es zu behalten, oder loslässt, um sich davon zu befreien. Ihren Fundstücken ist stets schon eine eigene Lebensgeschichte eingeschrieben: Das ursprünglich weiße Papier zeigt sich vergilbt und verfleckt, die Seiten eines Buches sind geknickt oder aus der Heftung gerissen – Zeit und Gebrauch haben ihre Spuren hinterlassen. Indem sie die Fundstücke zerlegt, umgestaltet, auseinandernimmt, mit weißer Farbe bedeckt und wieder zusammenfügt, lädt die Künstlerin uns dazu ein, unsere Aufmerksamkeit auf die besonderen Aspekte der Materialität ihrer Objekte zu lenken. Denn wie bei einer Spurensicherung ist es die Materie selbst, die auf unaufdringliche Weise Fragen stellt und ihre eigenen Geschichten erzählt. Dabei zeigen die Papierarbeiten in aller Offenheit, dass sie einerseits fragil und endlich sind, andererseits aber auch das Resultat der Entscheidung von Sasha Koura, keine Kunst zu erschaffen, die sich außerhalb dieses Umwertungsprozesses befindet. So vermitteln die Werke der Künstlerin gleichzeitig die „Botschaft von Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit der Dinge“, wie Lucrezia Zanardi in ihrem Katalogbeitrag schreibt, „sowie von den Möglichkeiten der Bedeutungserneuerung durch einen affektiven und miteinander verflochtenen Kreislauf aus Nutzung, Benutzung und Wahrnehmungen. Mit ihrer Haltung zeigt die Künstlerin, dass Kunst nicht nur die Kunstproduktion kritisch betrachten, sondern auch unseren gesellschaftlichen Umgang mit Konsum und Ressourcen ausloten kann.“
Zum Hanna-Nagel-Preis
Der 1998 erstmals verliehene Hanna-Nagel-Preis fördert bildende Künstlerinnen ab 40 Jahren im Regierungsbezirk Karlsruhe und zeichnet ihre qualifizierte künstlerische Arbeit aus. Er wird ausgeschrieben von den Stifterinnen des Preises: Margareta Barth, Präsidentin a. D. der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg; Eva Bell, von 2017 bis 2022 Präsidentin der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg; Monika Berndt-Eberle, Präsidentin der Gemeindeprüfungsanstalt; Caren Denner, Polizeipräsidentin; Sylvia M. Felder, Regierungspräsidentin; Hildegard Gerecke, Polizeipräsidentin a. D.; Gerlinde Hämmerle, Regierungspräsidentin a. D.; Heike HaseloffGrupp, Präsidentin des Landessozialgerichts Baden-Württemberg a. D.; Andrea Heck, Präsidentin a. D. der Oberfinanzdirektion Karlsruhe; Nicolette Kressl, Regierungspräsidentin a. D.; Bettina Limperg, Präsidentin des Bundesgerichtshofes; Olivia Reissenberger-Safadi, Präsidentin des Sozialgerichts Karlsruhe; Dr. Cornelia Ruppert, Präsidentin des Rechnungshofs Baden-Württemberg; Gudrun Schraft-Huber, Präsidentin des Verwaltungsgerichts Karlsruhe. In der Vergangenheit gehörten zu den Stifterinnen von 1998 bis 2016 auch Prof. Dr. Jutta Limbach (ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts) sowie von 2005 bis 2015 Prof. Dr. Christine Hügel, Präsidentin des Oberlandesgerichts Karlsruhe a. D.
Der Hanna-Nagel-Preis wird von den Stifterinnen des Preises, vom Kulturamt der Stadt Karlsruhe sowie dem Regierungspräsidium Karlsruhe verliehen. Mit der Auszeichnung sind nicht nur eine Ausstellung in der Städtischen Galerie Karlsruhe verbunden, sondern auch ein begleitender Katalog, ein Geldpreis und ein Ankauf durch das Regierungspräsidium Karlsruhe. Mit dem vor 25 Jahren erstmals vergebenen Preis wird zugleich das künstlerische Werk von Hanna Nagel (1907–1975) geehrt, einer bedeutenden Vertreterin der Neuen Sachlichkeit.
Preisträgerinnen 1998–2023
1998 Gerlinde Fertig | 1999 Sibylle Wagner | 2000 Hannelore Neeb | 2001 Ursula Fleischmann | 2002 Gabi Streile | 2003 Bernadette Hörder | 2004 Elke Wree | 2005 Sabine Funke | 2006 Barbara Denzler | 2007 Silke Stock | 2011 Susanne Ackermann | 2013 Mona Breede | 2015 Simone Demandt | 2017 Gundula Bleckmann | 2018 Nina Laaf | 2020 Peco Kawashima | 2023 Sasha Koura
Öffnungszeiten:
Mittwoch - Freitag: 10:00 - 18:00 Uhr
Samstag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
Weitere Informationen direkt unter: staedtische-galerie.de