Auf dem Weg zum Meer trifft die Elbe auf Hamburg und gibt der Stadt am Fluss ihren besonderen Charakter. An der Bunthäuser Spitze teilt sie sich in Norderelbe und Süderelbe, füllt die Hafenbecken und Fleete, vereinigt sich wieder bei Altona, bevor sie sich hinter Finkenwerder zur ganzen Breite weitet und am Alten Land vorbei Richtung Nordsee fließt.

Der Fotograf Hans Meyer-Veden hat die Stadt am Strom über mehr als drei Jahrzehnte hinweg aus unterschiedlichen Blickwinkeln in ausdrucksstarken Bildern festgehalten. Als Flaneur mit Kamera war er zu Fuß unterwegs in den Straßen und Gassen, am Wasser und in der Marsch. Mit sicherem fotografischem Blick wählte er dort seine Motive: Architekturensembles und -details in den schmalen Gassen von Altona und zwischen den Kontorhäusern der Speicherstadt, technische Apparaturen und Anlagen im Hafen, die vielfältigen Formen der Natur in Stadt und Land und die immer wieder neu erscheinende Wasseroberfläche der Elbe.

„Mein Wohnort ist Ottensen in Altona und rund um diesen Lebensmittelpunkt sind die Photos entstanden, wie Markierungen eines Netzwerks von Wegen, Orten und Augenblicken. Spuren einer Vergewisserung. Grabungen nach dem Wie des eigenen Lebens, nach dem Wo und dem Warum.“ (Hans Meyer Veden, 2008)

Geboren 1931 in Stade und 1982 nach Altona gezogen hat Hans Meyer-Veden den urbanen Raum in seiner Vielfalt und seinem Wandel bis zu seinem Tod 2018 in seiner ihm eigenen Bildsprache fixiert. Seine fotografischen Erkundungen gewinnen ihre Spannung aus dem Gegensatz zwischen der subjektiven, fein gestalteten Ästhetik einerseits und einem Streben nach objektiver Darstellung andererseits. Auffallend ist dabei die Abwesenheit der Menschen: Im krassen Gegensatz zu den Vertretern der klassischen Street Photography rückte Hans Meyer-Veden die Bewohner der Stadt nicht in den Fokus seiner Aufnahmen. Diese besondere Haltung hat er selbst mit einem „radikale[n] Wechsel in der Gebrauchsweise von Photographie“ erklärt, die er 1982 in der Begegnung mit der Großstadt als notwendig empfand: Weg von der „Ästhetik eines repräsentativen Augenblicks“ hin zu einer „auf das Ganze gerichteten Beobachtung“. Seine Aufnahmen sollen dazu auffordern, sie "mit dem Verstand zu betrachten, sie zu lesen und sie zu entziffern". Hans Meyer-Veden sah seine Fotografien auch als Archiv der sozialen Prozesse einer Stadtgesellschaft, in denen die Melancholie des Verfalls durch eine ausgesprochene Lust an der Transformation ins Positive gewendet wird.

Im Rahmen der Triennale der Photographie 2022 sind im Jenisch Haus unter dem Titel „Chiffren einer Stadt“ 100 Handabzüge von Arbeiten Hans Meyer-Vedens zu sehen. Ergänzt werden diese von drei Interventionen, die Hans Meyer-Vedens Themen und Aufnahmen perspektivisch erweitern: Eine Werkgruppe des Fotografen Michael Meyborg zeigt vor allem Bilder mit aus der Türkei stammende Migranten und Asylbewerbern in Hamburg, die zwischen 1979 und 1995 entstanden sind, der Film „Terrible Houses in Danger“ der mpz Filmgruppe holt den Protest der Hausbesetzer an der Hafenstraße bis 1985 ins Bild und die seit 1999 entstandenen Arbeiten des Street-Art Künstlers TONA laden zu einer aktuellen Form der visuellen Auseinandersetzung mit der urbanen Gesellschaft am Fluss ein.

Hans Meyer-Veden, Hafenstraße, Park Fiction, Sammlung Stiftung F.C. Gundlach
20.05.2022 - 13.02.2023

Chiffren einer Stadt. Fotografien von Hans Meyer-Veden

Jenisch Haus

Baron-Voght-Straße 50
22609 Hamburg