Mit KÖRPER IN GESELLSCHAFT zeigt das Sprengel Museum Hannover eine Ausstellung, die den menschlichen Körper in der Gesellschaft in den Fokus nimmt. Ein Dutzend Werke von den 1970er-Jahren bis heute darunter Arbeiten von Alexandra Bircken, Jürgen Klauke und Boris Mikhailov verhandeln Körper und Körperlichkeit auf unterschiedliche Weise in verschiedenen Medien: in Fotografie, Plastik und Malerei.

Keine Frage, Körper sind nicht bloß Masse oderreiner Organismus. Körper sind seit jeher politisch und gesellschaftlich aufgeladenes Projektions- und Kommunikationsmittel in jeder Gesellschaft. Von Darstellungen in der griechischen Antike bis zur Bilderflut auf Instagram, TikTok und Co. Körperbilder und -ideale waren und sind überall. Auch in der Kunst ist der Körper das Maß vieler Dinge, Bezugs- und Ausgangspunkt und Inspiration für Kunstschaffende. Körper beeinflussen sich gegenseitig dargestellte Körper, Körper der Ausstellungsbesucher*innen und Körper der Kunstschaffenden: Kunst kann nicht losgelöst vom Körper existieren. KÖRPER IN GESELLSCHAFT zeigt künstlerische Positionen, bei denen der Körper im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht.

"Wichtig war mir zu zeigen, wie der menschliche Körper von der Gesellschaft beeinflusst wird - kaum etwas wird hitziger diskutiert als das Erscheinungsbild des Gegenübers. Der künstlerische Anspruch, Konventionen aufzubrechen und Machtverhalten aufzuzeigen, hat mich ebenso beschäftigt wie ein freier Umgang mit dem menschlichen Körper. Eine wichtige Rolle für die Werkauswahl spielten dabei nicht nur, wie Individuen dargestellt werden, sondern auch Szenen des alltäglichen Zusammenleben sowie die vollständige Auflösung des Körpers", meint Julius Osman, Kurator der Ausstellung.

KÖRPER IN GESELLSCHAFT
Körperbilder in der Kunst können provokanter Kommentar auf eine konservative Sexualmoral sein, wie dies in den Werken von Jürgen Klauke und Salomé der Fall ist. Den Körper und seine künstlerische Transformation nehmen beide darüber hinaus zum Anlass, gesellschaftliche und kulturpolitische Phänomene der 1970er-Jahre zu dekonstruieren, indem sie Körper präsentieren, denen multiple Identitäten und Geschlechter innewohnen. Im gleichen Jahrzehnt bezieht sich Bernhard Schultze bei der Kreation seiner Migofs, Geschöpfe zwischen Mensch, Tier und Pflanze ebenfalls auf den menschlichen Körper und lässt Schaufensterpuppen im surrealistischen Stil mit Elementen der Natur verschmelzen. Grenzen des Körpers erweitern sich und verschwimmen mit seiner Umgebung. Die Künstlerin Alexandra Bircken wiederum lenkt den Blick auf den Körper als Projektionsfläche für Erwartungen anderer: Ihre Bronzeplastik, die sich als weiblicher Torso lesen lässt und durch japanische Sexspielzeuge inspiriert ist, spiegelt den "männlichen Blick". Der Fokus der Rezipient*innen wird auf Vulva und Vagina gelenkt, die durch eine runde Öffnung und eine darüber drapierte Schleife dargestellt werden. Boris Mikhailovs Interesse an der Darstellung von Menschen in Alltagsszenerien zeigt sich in seinen Fotografien. Er porträtiert Menschen an Orten in Berlin, an denen sie aufeinandertreffen im Gedränge der Großstadt oder beim Sitzen auf einer Bank oder die aufzeigen, wie heterogen Gesellschaft ist. Einzig und allein die Körpergröße bleibt der Bezug zur Wirklichkeit, wenn Rüdiger Stankos "Portraits" nebeneinanderhängen: Die Werke sind 1,78 Meter, 1,69 Meter und 1,81 Meter hoch und entsprechen damit den Maßen der jeweils porträtierten Person. Abgesehen von ihrer reinen Größe wird der Körper nicht weiter untersucht. Dass eine vermeintlich kleine Veränderung der eigenen Körpergröße nicht nur die Perspektive auf sich und andere beeinflusst, sondern auch auf die Körperdarstellungen innerhalb der Ausstellung KÖRPER IN GESELLSCHAFT, das können Besucher*innen erleben, wenn sie eines von Hans Hemmerts 60 Plateauschuhpaaren anziehen, um die vom Künstler gewünschte Körpergröße von zwei Metern zu erreichen. Was geschieht, wenn wir uns alle auf Augenhöhe begegnen?