»Die Kunstgeschichte ist eine einzige Fälschung« – mit diesem Text forderte Erich Buchholz kurz vor seinem Tod noch einmal die Kunstkritik heraus, indem er gängige Narrative des kunsthistorischen Kanons in Frage stellte. Leben und Werk des 1891 in Bromberg (heute Bydgoszcz, Polen) geborenen Künstlers sind von seinem experimentellen Geist geprägt, ständig am Puls der Zeit, ständig auf der Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen. Gattungsgrenzen waren für Buchholz nur dazu da, überwunden zu werden; daher arbeitete er nicht nur als Bildhauer und Maler, sondern auch als Architekt, Grafiker und Produktgestalter. Das umfangreiche, überaus vielseitige Werk, das er nach seinem Tod im Jahr 1972 hinterließ, wird daher auch von Grenzüberschreitungen bestimmt, von Arbeiten, die sich oft eben nicht eindeutigen Kategorien wie Skulptur oder Architektur, Malerei oder Grafikdesign zuordnen lassen. Synthese war für Buchholz der zentrale Leitbegriff, und er meinte damit sowohl die Synthese von unterschiedlichen künstlerischen Medien und Methoden als auch von Leben und Kunst.

Als Künstler war Buchholz zeitlebens Avantgarde. In den 1920er-Jahren eine zentrale Figur der deutschen Kunstszene, stand er in regem Austausch mit Künstler:innen wie El Lissitzky, László Moholy-Nagy, Hannah Höch oder Richard Huelsenbeck. Seit 1918 lebte Buchholz in Berlin, war zeitweise Mitglied der Novembergruppe, mit der er regelmäßig an der Großen Berliner Kunstausstellung teilnahm. Seine erste Einzelausstellung zeigte er in der Galerie

Der Sturm von Herwarth Walden – eines der damals dort präsentierten Bilder ist jetzt im Kunsthaus Dahlem zu sehen. Finanzielle und später auch politische Umstände zwangen ihn Mitte der 1920er-Jahre zum Rückzug aus dem Berliner Kunstleben. Nach 1945 konnte er an seine frühen Erfolge nur schwer anknüpfen. Seine künstlerischen Experimente fügten sich nicht nahtlos in den favorisierten Kanon der Kunstkritik ein, den er ohnehin mit oft unbequemen Worten in Frage stellte. Blickt man jedoch mit historischer Distanz auf sein Werk, so zeigt sich, dass Buchholz gerade in der Nachkriegszeit wegweisende Arbeiten schuf, sowohl in ihrer Überschreitung überkommener künstlerischer Kategorien als auch in einem experimentellen Umgang mit Material und Technik.

Die Ausstellung im Kunsthaus Dahlem, die anlässlich des 50. Todestages von Buchholz in Kooperation mit der Stiftung Konkrete Kunst und Design Ingolstadt und dem Nationalmuseum Stettin ausgerichtet wird, zeigt eine repräsentative Auswahl von Skulpturen, Reliefs und Architekturmodellen von den 1920er- bis 1970er-Jahren. Diese dokumentieren seine abstrakt-konstruktiven Anfänge ebenso wie deren Fortführung und Weiterentwicklung in der Nachkriegsmoderne. Die von Buchholz angestrebte Synthese von Leben und Werk wird zudem durch den Nachbau seines spektakulären Atelierraums von 1922 erfahrbar gemacht. Dieses Gesamtkunstwerk ist nicht nur eine der ersten konstruktivistischen Raumgestaltungen der Moderne, sondern auch eines der ersten Environments der Kunstgeschichte. Konsequenterweise war Partizipation der Betrachter:innen ein von Buchholz schon früh verfolgtes Anliegen. Eine Reihe von sogenannten Spielobjekten, die verändert und umgestaltet werden können, sind zur Benutzung nachgebaut worden.

Mit der Ausstellung wird ein Künstler gewürdigt, der seine Laufbahn als Pionier der konstruktiven Kunst vor 1933 begann, dessen Werk der Nachkriegszeit ins Abseits geriet und dem bis heute nicht die Aufmerksamkeit zuteil wird, die sein Werk verdient.

Die Ausstellung wird durch den Hauptstadtkulturfonds gefördert und zusätzlich durch den Freundeskreis Kunsthaus Dahlem – Bernhard Heiliger e. V. unterstützt.


Öffnungszeiten:
Mittwoch - Montag: 11:00 - 17:00 Uhr
Dienstag: geschlossen

Sonderöffnungszeiten:
24. und 31.12.2022: geschlossen
01.01.2023: 13:00 - 17:00 Uhr

Weitere Informationen direkt unter: kunsthaus-dahlem.de