Gemütliche Spiel- und Fernsehabende mit der Familie, teure kabelgebundene Dauertelefonate mit der Freundin, aufwühlende Proteste gegen den Nato-Doppelbeschluss und die Atomkraft – kein Jahrzehnt erscheint uns heute so fern und doch auch auf nostalgische, fast unheimliche Weise so vertraut wie die 80er-Jahre. Ikonische Objekte und ganz persönliche Erinnerungsstücke vergegenwärtigen ab dem 17. Juni das vielleicht bedeutendste und ereignisreichste Jahrzehnt deutscher Nachkriegsgeschichte. In der großen Erlebnisausstellung „Die 80er – Sie sind wieder da!“ lädt das Projektteam um Brigitte Heck und Martin Wacker zu einer Zeitreise ein. Auf der gemeinsamen Erinnerungstour geht es dabei ebenso um die großen globalen Entwicklungslinien wie um die Geschichte des privaten Alltags.

Über 150 Leihgaben aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich sowie 150 Objekte, die neu für die Sammlung des Badischen Landesmuseums angekauft wurden, beleuchten die Jahre zwischen Kaltem Krieg und Mauerfall. Die Reise beginnt für die Besucherinnen und Besucher mit einer typischen Straßenszene in Karlsruhe. An einem Kiosk stöbert man in historischen Magazintiteln. Die Hausbesetzerszene, ein Hüttendorf gegen Abholzung und der Widerstand gegen die Volkszählung nehmen Themen auf, die Bezüge zu heute haben. Der geblümte Helm der Grünenpolitikerin Petra Kelly von der Mutlanger „Promiblockade“ gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen erinnert an die vielen Protestbewegungen von damals. Ein Button mit der Abbildung der chinesischen Flagge mit Trauerflor steht für mutige Solidaritätsbekundungen in der DDR nach dem Massaker auf dem Pekinger Tian’anmen-Platz 1989. Es war ein in vielen Aspekten düsteres Jahrzehnt mit zahlreichen Bedrohungslagen …

Auf der anderen Seite: Pop und Punk, Vokuhila und Flashdance. Typisch 80er sind auch die vielen Musikstile und Moden, Trends und Kinofilme. 

Von Großereignissen wie Stadionkonzerten, Festivals und Shows aller Musik- und Kunstgattungen haben sich Plakate mit Kultstatus erhalten. Der SWR unterstützt die Ausstellung medial und steuert als Kooperationspartner zudem eine Plattenwand mit Musikquiz bei, an der Besucherinnen und Besucher ihre Ohrwurm-Kenntnisse testen können. Künstlerinnen und Künstlern verdankt die Ausstellung originale Objekte. So steuert TORCH aus den Anfängen des HipHop in Heidelberg Belege bei. Auch Thomas Anders oder „Scorpions“-Sänger Klaus Meine, Heinz-Rudolf Kunze und Udo Lindenberg stellen individuelle Erinnerungsstücke zur Verfügung. Und für den Bereich Sport entsendet Tennislegende Steffi Graf ein Highlight ihrer Karriere: ihre Goldmedaille der Olympischen Spiele in Seoul.

Fotografien von Herlinde Koelbl und Christian Borchert nehmen die private Lebenswelt in den Fokus. So porträtiert Koelbl in der Reihe „Das deutsche Wohnzimmer“ (1980) Menschen in ihrem privaten Umfeld in der BRD. Diesen zeitdokumentarischen Ansatz verfolgt auch der Ostdeutsche Borchert in seiner Serie „Familienporträts“. In einem nachinszenierten Clubraum mit Fotografien von Burkhard ED Rump geht es dagegen um durchfeierte Nächte und legendäre Szenepartys. Hier können auch analoge und digitale Spiele aus den 80ern ausprobiert, Tanzkurse und Begleitveranstaltungen besucht werden.

Und dann: Nichts wie weg in den Urlaub! Ob nach Österreich oder Ungarn, per Interrail, Anhalter oder mit dem Flugzeug auf die Kanaren – in den 80er Jahren reisen die Deutschen so viel wie nie zuvor und bringen zahlreiche Souvenirs und Erinnerungen mit nach Hause. Reisen in dieser Zeit sind durchaus politisch: Hier werden alternative Formen vom „Sanften Tourismus“ ausprobiert und schließlich führt am Ende des Jahrzehnts die von den Ostdeutschen geforderte Reisefreiheit mit zur Wiedervereinigung.

Zauberwürfel, Tetris oder Pacman: Das Quadrat zieht sich in Anlehnung an die Computergrafik der 80er und das Design der Postmoderne durch die ganze Ausstellung. So wie aus einzelnen Pixeln ein Bild entsteht, fügt sich die Schau aus Momentaufnahmen, Zeitzeugenberichten, Ton- und Filmdokumenten und Objekten zu einem Mosaik zusammen. Das mal neonbunte, mal schwarz-weiße, aber immer spannungsvolle Abbild lädt mit seinen Gegensätzlichkeiten zum Gespräch und Mitmachen ein. Die Ausstellung stellt nicht nur Objekte der 80er zur Schau, sondern will ein Erinnerungsgenerator sein: Besucherinnen und Besucher können an zwei Orten in der Ausstellung – dem Kiosk auf der Straße und einem Jugendzimmer – eigene Leihgaben einbringen und so ihre Geschichten teilen. Die Ausstellung „Die 80er“ ist somit ein Werk der Ausstellungsmacher wie auch der Ausstellungsbesucher. Denn sowohl diejenigen, die das Jahrzehnt selbst erlebt haben, wie auch die junge Generation, die heute von den damals getroffenen politischen Entscheidungen betroffen ist – wir sind alle Kinder der 80er!