Die prachtvoll ausgestattete schleswig-holsteinische Barock-Residenz Schloss Eutin eröffnet im Sommer 2023 mit vier zeitgenössischen Künstlerinnen die Sonderausstellung „Symptom:Barock“.

Fasziniert von der Ausstattung und der Sammlung der barocken Residenz nehmen Margret Eicher, Simone Demandt, Rebecca Stevenson und Myriam Thyes mit ihren Interventionen im historischen Schlossrundgang direkten Bezug zum Ort. Ihre Arbeiten stehen in einem Dialog mit den bereits historisch vorhandenen Kunstschätzen des Schlosses. Seit einigen Jahren beschäftigen sich die Künstlerinnen mit dem Themenrepertoire und der Ästhetik des Barocks, die sie in weltpolitischen sowie kulturellen Phänomenen gespiegelt sehen: durch Reibung von Rationalität und hochindividuellen Glaubenssätzen sowie durch immer präsenter werdende Endzeitfantasien, die zu Disruptionen innerhalb der Gesellschaft und ihres Zusammenhalts führen.Im Schloss Eutin sind Architektur und Ausstattung, die Träume und die Realität des Barocks bis heute gegenwärtig. Sie lösen deutliche Emotionen bei den Besuchenden aus, und doch bleibt die Bedeutungsebene häufig verschüttet. Bilder und Zeichen sind nach Jahrhunderten nicht unmittelbar verständlich. Im Kontext des vollständig eingerichteten Schlossmuseums ist es besonders reizvoll, dass die vier Künstlerinnen in völlig unterschiedlichen Medien arbeiten. Im Sinne des barocken Prinzips der „curiositas“ ergeben sich somit vielfältige wie abwechslungsreiche Bezüge zwischen historischen und zeitgenössischen Werken: mal liegt ihre Verwandtschaft im Material, mal im Thema, mal ist sie rein konzeptuell. Die Besucher*innen können auf der Ebene des sinnlich-ästhetischen Genusses ihren eigenen Zugang finden und werden immer wieder angeregt, die Kunstwerke zu hinterfragen und ihre künstlerischen, politischen und gesellschaftlichen Positionen neu zu lesen.

Einen spannenden und enttarnenden Dialog stellen Margret Eichers Medientapisserien mit den Eutiner Gobelins des 17. Jahrhunderts her. Die Bildmacht der Massenmedien wird hier explizit vorgeführt und die aufwendig digital collagierten und computergestützt gewebten Tapisserien Eichers lassen auf wundersame Weise die barocken Textilien wieder lesbar werden. Machtpolitische Demonstration und die Manifestation weltanschaulicher Überzeugungen werden im Heute wie im Gestern sichtbar.

Simone Demandts Objektfotografie verneint das Bewahren, das Sicherstellen oder die Aufforderung zum affirmativen Wiedererkennen. Sie stellt in Frage, verunsichert, evoziert das Magische oder das Bodenlose. Wenn sich etwa ihre Fotografien fragmentierter Hände und Füße barocker Skulpturen unter die Porträtgemälde des Schlosses gesellen, verändert die gebieterische Herrscherrepräsentation plötzlich ihren Ausdruck – die Frage nach Menschlichkeit wird möglich.

Als Bildhauerin arbeitet Rebecca Stevenson hauptsächlich mit Wachs. Ihre Technik verweist zurück auf barocke Wachsskulpturen, erinnert zunächst aber auch an die glänzend perfekten Bildwelten der sozialen Medien: Glatte Haut, leuchtende Farben, glänzende Oberflächen kennzeichnen ihre Stillleben mit totem Wild und frischen Früchten. Die Arbeiten werden aufgeschnitten oder gar aufgerissen und aus den Öffnungen dringen fleischige Rosen und Früchte. Genuss und Verstörung stellen sich gleichzeitig ein in diesen virulent modernen Memento mori, die in den historischen Küchen und Speiseräumen Schloss Eutins ihre Wirkung entfalten sollen.

Von der psychischen und sozialen Potenz politischer und religiöser Symbolik des Barocks profitiert auch die heutige Medienlandschaft, dies thematisiert Myriam Thyes in ihren Videoarbeiten und Fotos. Für die barocken Deckenstuckaturen von Schloss Eutin etwa wird sie verschiedene ihrer Arbeiten weiterentwickeln und die vorgefasste christliche und eurozentrische Perspektive der Erbauer*innen, der ehemaligen Bewohner*innen und der heutigen Betrachter*innen sowohl ausstellen als auch mit deren Begrenztheit konfrontieren. 

In der engen Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen öffnet sich Schloss Eutin in der Erzählung seiner Geschichte und gibt alternativen Formen der Interpretation Raum. Grundlegend dafür ist die Begleitung der Ausstellung durch eine intensive sowohl analoge als auch digitale Bildungs- und Vermittlungsarbeit.


Schloss Eutin, das Juwel an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste, gehört zu den bedeutendsten Kulturdenkmälern Norddeutschlands. Über 800 Jahre war dieser Bau ein Knotenpunkt nordeuropäischer Geschichte und bietet noch heute mit dem intakten Ensemble aus Schloss, Vorplatz und Gärten das Idealbild einer Miniaturresidenz des 18. und 19. Jahrhunderts.

1992 wurde die Stiftung Schloss Eutin als Stiftung des öffentlichen Rechts errichtet. Das Land Schleswig-Holstein finanzierte eine umfassende Sanierung des Schlosses und sorgt seither für dessen Unterhaltung. Im Jahr 1997 wurden erste Räume als Museum zugänglich gemacht, 2006 wurde das Museum in seinem heutigen Umfang eröffnet und heißt jährlich rund 30.000 Besuchende mit einem reichen Programm willkommen. 


Öffnungszeiten:
Juni, September, Oktober:
Dienstag - Sonntag: 11:00 – 17:00 Uhr
Juli und August:
Montag - Sonntag:  10:00 - 18:00 Uhr

Weitere Informationen direkt unter: schloss-eutin.de