In kaum einer Zeit waren die Idee vom Arbeiten im Team sowie das Bündeln von verschiedenen Kompetenzen so omnipräsent und populär wie in der Gegenwart. Lange bevor sich auch im Feld der Kunst Künstler*innen zu permanent zusammenarbeitenden Duos oder Kollektiven gruppierten, entstanden vor allem im 20. und 21. Jahrhundert aus den unterschiedlichsten persönlichen, kunst- und zeithistorischen Hintergründen gemeinschaftlich realisierte Kunstwerke. Die Ausstellung Freundschaften. Gemeinschaftswerke von Dada bis heute erforscht die Bedingungen und zeitlichen Konstellationen, die dazu führten, dass Bekannte, enge Vertraute, Freund*innen, Liebespaare oder auch Konkurrent*innen sich für einen begrenzten Zeitraum einem kollaborativen Arbeitsprozess widmeten.

Insbesondere in der Rückschau lassen sich das kollegiale Miteinander und die Werkgenese leicht idealisieren. Dabei förderte nicht nur das vergnügliche Zusammenarbeiten, sondern auch der (Wett-)Streit unter Freund*innen die progressivsten Ideen sowie neuen künstlerischen Methoden zutage. Das Ausfechten von Disputen und komplexe amouröse Beziehungen begleiteten auch den Prozess, der zur vielleicht wichtigsten Entdeckung der Surrealisten führte, den Cadavres exquis. Mit der geteilten Autor*innenschaft veränderten sie durch das von Zufall und Improvisation geprägte Spiel maßgeblich das Paradigma des genuinen künstlerischen Ausdrucks. Die Dadaisten erfanden die gemeinsame Aktionskunst, die von den Fluxus-Künstler*innen mit neuen Themen weiterentwickelt wurde. Angetrieben von einem gemeinsamen gesellschaftspolitischen Engagement realisierte beispielsweise eine Gruppe von Künstlern 1960 das Grand tableau antifasciste collectif aus Solidarität mit einer algerischen Freiheitskämpferin sowie um gegen Kolonialismus und Folter zu protestieren.

Das in Kooperation mit dem Mucem – Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers in Marseille entwickelte länderübergreifende Ausstellungsprojekt (dort ist die Schau noch bis zum 13. Februar 2023 zu sehen) zeigt ein Spektrum an gemeinschaftlich geschaffenen Kunstwerken und ist gewissermaßen selbst Ausdruck einer freundschaftlichen Zusammenarbeit der Kuratorin Blandine Chavanne mit dem Künstler Jean-Jacques Lebel als wissenschaftlichem Beirat. Die Länder der beiden Partnerinstitutionen, Frankreich und Deutschland, verbinden ebenfalls enge freundschaftliche Bande.

Begleitend zur Ausstellung ist eine umfangreich illustrierte Publikation im Hatje Cantz Verlag erschienen (Hrsg. Blandine Chavanne und Jean-Jacques Lebel mit Andreas Beitin und Jean François Chougnet), die Essays, ausführliche Werktexte und Interviews namhafter Autor*innen enthält, um die Geschichte und Hintergründe der gemeinschaftlich entstandenen Kunstwerke darzustellen (dt. und frz. Ausgabe, jeweils 304 Seiten, ca. 400 Abb.).

In Kooperation mit dem Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers in  Marseille Mucem.