In ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung widmen sich die Historischen Museen und das Kunstmuseum Heidenheim der künstlerischen Darstellung von Tieren. Im Zentrum der Schau mit 25 Objekten aus den historischen Beständen sowie rund 50 Gemälden, Installationen, Filmen, Druckgrafiken und Skulpturen von insgesamt 24 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern stehen dabei fiktive oder fantastische Schöpfungen. Am eispiel von Hybriden, animalischen Gottheiten oder Neuschöpfungen gibt die Ausstellung Auskunft über einen jeweiligen Zeitgeist sowie das Verhältnis des Menschen zu seiner (lebendigen) Umwelt.

Beginnend mit einer Replik des Löwenmenschen hin zu von einer KI gestalteten Kreatur, erzählen die Exponate sowohl vom kreativen Erfindungsreichtum der Kunstschaffenden. Des Weiteren sind sie zumeist Symbol oder Verweis auf jeweilige Glaubenssysteme und Vorstellungen. So sind etwa in der Gegenwartskunst Verweise auf die Ausbeutung und Ausrottung bestimmter Tiergattungen wiederkehrende Themen. 

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Der Rundgang beginnt im Kleinen Wechselausstellungssaal mit Objekten aus den historischen Sammlungen der Stadt. Am Anfang stehen Repliken bekannter eiszeitlicher Funde. Betrachtet man diese Zeugnisse früherer Kulturen, so wird schnell auffällig, dass die Menschen in der Regel nicht sich selbst, keine Bäume oder andere Naturerscheinungen darstellten. Ihr Interesse galt im Wesentlichen Tieren. Ob diese Bildwerke nun reiner Zeitvertreib, mit magischem Denken verbunden waren oder als Talisman und Trophäen dienten, darüber können wir heute nur spekulieren. Klar wird anhand von ihnen jedoch eine enge Verflechtung vom Menschen zu dessen tierischer Umwelt. 

Es folgen Werke aus anderen Kulturkreisen, speziell aus der Indischen Sammlung Alfred Meebolds. Masken, tierische Gottheiten und Schutztiere verweisen auf einen Aspekt, der in der christlichen Kultur zu weiten Teilen verlorengegangen ist: die Verbindung zwischen der Gött*innenwelt und Tieren. 

Mit dem Christentum wurden die Sphären stärker getrennt: Das Tier wurde entweder zum Opfertier, zur Referenz oder zum Symbol. Zu nennen sind hier etwa das Lamm Gottes oder der Fisch als Zeichen christlichen Denkens. Fiktive und fantastische Schöpfungen spielten kaum noch eine Rolle und wenn, dann waren sie negativ behaftet. Man findet etwa Monster und Ungeheuer in Darstellungen des Jüngsten Gerichts oder der Unterwelt. Bisweilen sind sie auch Antagonisten der Heiligen, was in der Ausstellung am Beispiel des Gemäldes Simson zerreißt den Löwen oder einer Skulptur des Heiligen Michaels mit Drachen zu sehen ist.

Im 19. Jahrhundert zeigte sich ein langsames Comeback des Fantasiewesens. Märchen, Parabeln und Gruselgeschichten erlauben die (literarische) Darstellung sprechender Tiere, traumhafter Wesen und anderer kreativer Auswüchse. Diese Tendenz schlägt sich auch bald in den bildenden Künsten nieder, etwa im Symbolismus und Jugendstil. Das Gebäude des Kunstmuseums Heidenheim zeigt dies deutlich. An der Fassade des Museums sind wunderliche Wasserwesen, eine personalisierte Sonne, Greife und andere Fabelwesen zu sehen. Im Inneren nimmt ein Brunnen die Gestalt eines Meeresungeheuers an. Die westeuropäische Faszination am Fantastischen zeigt sich auch daran, dass Alfred Meebold, wie viele andere Zeitgenossen, um 1900 seine Sammlung asiatischer Objekte anlegte.

Der anschließende Rundgang im Hugo-Rupf-Saal beginnt mit einem Kabinett mit „Vätern“ der Thematik. In den klassischen Avantgardebewegungen und der vornehmlich von abstrakten und neuen Tendenzen geprägten, westeuropäischen Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg sind Tiere eher Nebenerscheinungen. Hier sind es vor allem surrealistische und mit dem Surrealismus assoziierte Künstler, die in diesem Kontext interessant sind. Pablo Picasso, Marc Chagall und Joan Miró repräsentieren drei unterschiedliche inhaltliche Richtungen im Umgang mit fantastischen Tierwesen und Fabelwesen. Zwei konträre Positionen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nehmen HAP Grieshaber und Bernhard Schultze ein.

Auftakt für die Werke aktueller Kunst bildet eine Replik des Löwenmenschen. In gewisser Weise ist dieser der Prototyp für vieles, was im weiteren Verlauf der Ausstellung Thema sein wird: eine Verbindung von Mensch und Tier sowie hybride Wesen.

Im Wesentlichen lassen sich zwei zentrale Thematiken in der Schau verfolgen. Auf der einen Seite stehen Arbeiten, vornehmlich Gemälde, in denen fantastische Tiergestalten genutzt werden, um auf biografische oder gesellschaftliche Themen einzugehen. Sophia Süßmilch, Oska Gutheil, Eckart Hahn, Juliane Hundertmark und Deborah Sengl nutzen tierische Wesen, um Themen wie Identität, gesellschaftliche Missstände oder Weiblichkeit zu thematisieren. 

Auf der anderen Seite der Ausstellung stehen Arbeiten von Kunstschaffenden, die mit ihren Werken Kritik am ausbeuterischen und speziesistischen Verhalten des Menschen in der Gegenwart üben. 

Hartmut Kiewert, Tanja Fender, Böhler & Orendt oder Wolf J. Gruber zeigen auf je eigene Art und Weise, wie problematisch unser Umgang mit Tieren als Beute oder Ressource heute ist.

Am Ende der Ausstellung zeigt Mary-Audrey Ramirez eine raumgreifende Installation, in der organisches, humanes und animalisches zu einer futuristisch anmutenden Einheit verschmolzen wird und so durchaus Unbehagen, auch hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen, hervorruft.

Mit Werken von:
Joseph Beuys, Böhler & Orendt, Ingrid Butschek, Marc Chagall, Tanja Fender, Andreas Greiner, HAP Grieshaber, Wolf J. Gruber, Thomas Grünfeld, Oska Gutheil, Eckhart Hahn, Juliane Hundertmark, Hartmut Kiewert, Joan Miró, Claire Morgan, Pablo Picasso, Maximilian Prüfer, Mary-Audrey Ramirez, Deborah Sengl, Corinna Schnitt, Bernhard Schultze, Sophia Süßmilch, Detlef Willand sowie mit Werken aus den Sammlungen der Historischen Museen Heidenheim.


Öffnungszeiten:
Dienstag: 11.00 - 17:00 Uhr
Mittwoch: 13:00 - 19:00 Uhr
Donnerstag - Sonntag: 11.00 - 17:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: kunstmuseum-heidenheim.de

Hartmut Kiewert Picknick III, 2019 Öl auf Leinwand 120 x 150 cm © Hartmut Kiewert
19.03. - 23.07.2023

Fantastische Tierwelten

Kunstmuseum Heidenheim

Marienstraße 4
89518 Heidenheim