In den Sommermonaten kehren wir mit der Ausstellung »Erde. Verwobenes Leben« auf unseren Heimatplaneten zurück, nachdem wir in der Ausstellung »Himmel – Die Entdeckung der Weltordnung« in das Universum eingetaucht sind. Es geht um die Verwobenheit der Dinge. Wir fragen uns, wie wir die Erde bewahren und den Verbindungen des Lebens Rechnung tragen können. Wie funktioniert unser globales Ökosystem? Welchen Herausforderungen ist es ausgesetzt? Anhand fotografischer Kunstwerke versuchen wir, dem Verhältnis zwischen Mensch und Natur auf den Grund zu gehen. Dabei führt uns die Erkundungsreise von leuchtend roten Fliegenpilzen über an Mikroskopaufnahmen erinnernde Arbeiten bis hin zu faszinierenden Aufnahmen aus der Arktis. 

Die Kunstwerke werden durch Fossilien – dank der freundlichen Leihgabe der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung – um eine wissenschaftliche Komponente ergänzt. 

»In der Ausstellung versammeln wir Künstlerinnen und Künstler, die sich mit Aspekten des ›mehr-als-menschlichen‹ Lebens auf der Erde beschäftigen. Nicht wenige von ihnen sind um den Zustand der Natur besorgt«, schreibt Dr. Christina Leber in der ausstellungsbegleitenden Publikation. 

Simone Demandt (* 1959, Dortmund, BRD) experimentiert in ihrer Arbeit »AN-12-03«, 2012, mit alltäglichen Gegenständen, indem sie diese zweckentfremdet, neu anordnet und durch ein Makroobjektiv so nah an die Linse heranholt, dass sie an mikroskopische Aufnahmen aus der Zellforschung erinnern. Jan Paul Evers (* 1982, Köln, BRD) dagegen bedient sich tatsächlich wissenschaftlicher Fotografien von Genen aus Onlinearchiven amerikanischer Universitäten. Durch digitale Bearbeitung, aber vor allem durch zahlreiche händische Prozesse in der Dunkelkammer, schreibt er den Motiven buchstäblich auch seine eigene DNA ein. 

In ihrer Serie »Graubaum und Himmelmehr«, 2019 - 2021, zeigt Loredana Nemes (* 1972, Sibiu, Rumänien), dass auch Bäume miteinander in den Austausch treten. Die Künstlerin, die für ihre Porträtserien bekannt ist, porträtiert hier nicht wie sonst üblich Menschen, sondern Bäume. Während der Corona-Pandemie suchte sie abseits der Städte Ruhe in den Wäldern auf der zu Rügen gehörenden Halbinsel Jasmund. Dabei wurde ihr bewusst, dass auch Bäume in Familienverbänden zusammenstehen und miteinander kommunizieren. Sie gehen eine liebevolle Verbindung zueinander ein. Auch Rodney Graham (1949, Abbotsford – 2022, Vancouver, Kanada) stellt in seiner Serie »Oak Trees, Red Bluff«, 1993–2000, einzelne Bäume in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Wie bei einer Camera obscura zeichnen sich die Eichen als um 180 Grad gedrehte Bilder ab. Die auf dem Kopf stehenden Aufnahmen lassen die überirdischen Kronen als unterirdisches Wurzelwerk erscheinen. Dadurch wird deutlich, dass das für den Menschen Sichtbare nur ein kleiner Teil des Ökosystems Baum ist. 

In Zusammenarbeit mit dem Vulkanologen Corrado Cimarelli entwickelte Helena Petersen (* 1987, München, BRD) ihre Arbeit »CINIS I Pompeji«, 2014– 2023. Bei hoher Temperatur lässt sich Vulkanasche in Glas verwandeln und erzeugt Bilder, die wie wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse anmuten. Auch Corrado Cimarelli empfand die ungewöhnliche Methode als Ergänzung zu seinem Blick durchs Mikroskop und bezeichnete Helena Petersen als seine ebenbürtige Kollegin. Auch bei Julius von Bismarck (* 1983, Breisach am Rhein, BRD) stehen die Naturgewalten im Fokus seines künstlerischen Schaffens. Der Film »Den Himmel muss man sich wegdenken«, 2014, demonstriert die Wucht einer Riesenwelle während eines Sturms. In der wandfüllenden Projektion baut sich die Welle zunächst kaum wahrnehmbar immer weiter auf, bis sie den Himmel förmlich zu verschlingen scheint. Mithilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera gelang es dem Künstler, die flüchtige Bewegung der Riesenwelle einzufangen und abzubremsen. 

Lena von Goedeke (* 1983, Duisburg, BRD) geht eine intime Beziehung mit der Arktis ein. Die Künstlerin verbringt den Großteil des Jahres am nördlichen Polargebiet. Für »Lot VI«, 2018, hat sie mithilfe eines 3D-Programmes einen Gletscher aus ihrer Erinnerung nachgebildet. Der Stoff, auf dem die Gitternetzlinien aufgebracht sind, ist sowohl licht- als auch wasserabweisend. Solche künstlichen, vom Menschen hergestellten Textilien dienen unserem Schutz, distanzieren uns aber zugleich von unserer Umwelt. Um das Bewusstsein für die Natur und ihre Beschaffenheit nicht zu verlieren, verwendet Lena von Goedeke immer wieder Techniken, bei denen sie mithilfe ihrer eigenen Hände das widerspenstige Material bearbeitet und dabei an ihre körperlichen Grenzen geht. Auf diese Weise nähert sie sich ihrer Mutter Erde an. 

Nur in einem einzigen Kunstwerk tritt der Mensch in Erscheinung. Die Arbeit »Erd-gebunden«, 1973, von Klaus Rinke (* 1939, Wattenscheid, Deutschland) bildet den Schlusspunkt der Ausstellung. In der Schwarz-Weiß-Fotografie thront der Künstler selbst als Stellvertreter der vermeintlichen Krone der Schöpfung auf der Erdkugel. 

Die Erde hat in Jahrmillionen der Evolution schon mehrfach fundamentale Krisen überstanden, bei denen manchmal mehr als die Hälfte der sie bewohnenden Lebewesen ausgestorben sind. Das ›mehr-als-menschliche Leben‹ ist krisenerprobt und hat im Laufe der langen Zeit seines Bestehens immer wieder neue Formen hervorgebracht. Nicht wenige unserer heutigen Mitbewohner, wie beispielsweise Krokodile (200 Millionen Jahre), Schildkröten (200 Millionen Jahre), Tintenfische (500 Millionen Jahre), aber auch Ökosysteme wie Korallenriffe (540 Millionen Jahre), um nur einige zu nennen, haben diese Erdkrisen bereits überwunden. Sie sind vorbereitet. Der Homo sapiens ist dagegen mit seinen rund 300.000 Jahren eine junge Erfindung der Evolution und die Weiterentwicklung des Planeten auf unser Fortbestehen nicht angewiesen. Wir Menschen allerdings können ausschließlich auf der Erde leben und gedeihen. Es ist unser Anliegen mit dieser Ausstellung aufmerksame Beobachterinnen und Beobachter in Staunen zu versetzen und zu einer rationalen und emotionalen Danksagung an unseren Planeten zu verführen. 


Öffnungszeiten:
Dienstag - Samstag: 11:00 - 19:00 Uhr

Weitere Informationen direkt unter: kunststiftungdzbank.de

Jochen Lempert, Blaumeise, 1998, aus der Serie: Vogel in der Hand
02.06. - 07.10.2023

Erde. Verwobenes Leben

DZ BANK Kunststiftung

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