Maria Lassnig (1919–2014), der in Berlin zuletzt 1997 eine institutionelle Einzelausstellung gewidmet war, gilt heute als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts. Ihr Werk besteht vor allem aus Selbstporträts. Diese generieren sich mehrheitlich gerade nicht aus einem sorgfältigen Beobachten des Spiegelbildes oder aus Selbstbildern in der Imagination und aus dem Gedächtnis, sondern – und eben daraus gewinnen sie ihre Singularität – aus dem Körperempfinden. Maria Lassnig spürt ihrem körperlichen Erleben nach und übersetzt das Bewusstsein des eigenen Körpers in Bilder. „Bei diesen Köpergefühlsbildern muß ich von Anfang an gegen Erinnerungsbilder kämpfen. Ich lösche – vom Spiegel gar nicht zu reden – das Erinnerungsbild als Hindernis aus. Damit man ein ganz reines Körpergefühl wahrnimmt, muß man die Erinnerung ausschalten.“ (Maria Lassnig) Der Empfindungsrealität folgt auch die Palette – es sind Bedeutungsfarben: „Die Entscheidung für die Farbe fällt ebenso wie die für die Form: willkürlich. Das heißt aber nicht `egal´, sondern es ist mein Wille, ich kämpfe darum. Es ist nicht von etwas abhängig, was schon vorhanden ist. Es ist meine Entscheidung. (...) Die Stirne bekommt eine Gedankenfarbe, die Nase eine Geruchsfarbe, Arme und Beine Fleischdeckenfarbe; es gibt Schmerzfarben und Qualfarben, Druck- und Völlefarben, Streck- und Preßfarben, Höhlungs- und Wölbungsfarben, Quetschund Brandfarben, Todes- und Verwesungsfarben, Krebsangstfarben – das alles sind Wirklichkeitsfarben.“ (Maria Lassnig)

Die Malereien in der Ausstellung, die Sesselselbstporträts und die von ihr selbst so bezeichneten MonsterBilder, aus den für ihre Entwicklung so entscheidenden 1960er-Jahren machen dies unmittelbar anschaulich.

Die präsentierten Papierarbeiten – Zeichnungen, Aquarelle, Grafiken – sind aus den 1970er- bis 1990erJahren. Technisch sehr vielfältig, bildet auch hier das Selbstporträt das Zentrum, daneben Eindrücke aus der New Yorker Zeit (1968–1979), Reiseerlebnisse und anderes mehr. Für einen weniger bekannten Aspekt in Maria Lassnigs Schaffen steht die Bronzeplastik der Sexgöttin (1979). 1978/79 ermöglicht ihr ein DAAD-Stipendium einen einjährigen Berlin-Aufenthalt, den sie besonders für Wahrnehmungsstudien nutzt. Internationale Anerkennung erfährt Maria Lassnig erst mit dem neuen Interesse an figurativer Malerei ab den 1980er-Jahren: 1980 bespielt sie zusammen mit Valie Export den Österreichischen Pavillon auf der Biennale von Venedig, 1982 nimmt sie an der documenta 7 teil, 2013 wird sie für ihr Lebenswerk mit dem Goldenen Löwen der Biennale von Venedig ausgezeichnet.

Die Exponate stammen aus dem weitaus umfangreicheren Bestand an Lassnig-Arbeiten in der Sammlung Klewan. 1981 zeigte der Kunstsammler Helmut Klewan die erste Lassnig-Ausstellung in seiner damaligen Münchener Galerie. «Dreißig Jahre Freundschaft mit Maria Lassnig waren wie ein Kampf. Man musste ihr jedes Bild abschwatzen. Ölbilder hat sie mir lieber in Kommission gegeben, als dass sie sie verkauft hätte.

Das Bewusstsein, ein Bild nicht mehr zurückzubekommen, war für sie unerträglich. Zum Glück ist sie fast 95 geworden und hat ihren Weltruhm noch erlebt.“ (Helmut Klewan)

Zur Ausstellung erscheint im Kerber-Verlag ein Katalog mit Texten von Stefanie Heinzl und Jenny Graser


Öffnungszeiten:
Montag - Sonntag: 10:00 - 18:00 Uhr

Weitere Informationen direkt unter: berlin.de/ba-steglitz-zehlendorf