Das Museum Abteiberg erwarb 2017 mit Hilfe der Förderung durch die Kulturstiftung der Länder, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, die Kunststiftung NRW und die Hans Fries-Stiftung eine der international umfangreichsten Fluxus-Kollektionen: die Kunstsammlung, das Archiv und die Bibliothek von Erik Andersch (1940-2021). Die darin vertretenen Künstlerinnen gehörten sowohl dem engsten Kreis als auch dem erweiterten Umfeld des internationalen Fluxus-Netzwerks an oder teilten mit diesem eine Auffassung, die sich seit den frühen 1960er Jahren in den USA, Europa und Japan entwickelt hatte: Kunst verbindet sich mit Aktion, Gemeinschaft und Spiel, ist konzeptuell, intermedial, humorvoll und ironisch-kritisch gegenüber Traditionen des Museums und der Kunstgeschichte. Die künstlerische Praxis bezieht den sozialen, gesellschaftlichen und politischen Raum ein. Das Museumsteam ist derzeit mit der Bearbeitung dieses Neuzugangs befasst. Dazu zählen konservatorische Maßnahmen sowie das Dokumentieren und Inventarisieren von Unikaten, Multiples, Postkarten, Plakaten, Fotografien, Audio- und Videodokumenten, Büchern, Zeitung und Zeitschriften sowie zeithistorischen Dokumenten von mehr als 50 Künstlerinnen.

Langfristig soll SAMMLUNG/ARCHIV ANDERSCH in einem Schaumagazin aufbewahrt, ausgestellt, vermittelt und der Forschung zugänglich gemacht werden. Mit Archiv-, Vitrinenund Grafikschränken als ersten Versatzstücken wird in aufeinanderfolgenden „Feldversuchen“ das Format des Schaumagazins erprobt. Der Raum ist inmitten der Sammlungspräsentation des Museums Abteiberg in einem der Oberlichtsäle eingerichtet. Jährlich wechselnde Konvolute geben eine erste Vorschau auf die Bestände. Dabei orientiert sich die Reihenfolge der ausgestellten Künstler*innengruppen am Alphabet, angeregt durch den konzeptuellen Ansatz von Fluxus: Systeme, Strukturen und Zufall stehen in Abgrenzung zum Mythos des künstlerischen Schaffens als spontanem, rein subjektivem Akt. An Beuys (2021/22) schließen sich nach diesem Prinzip die Bestände von George Brecht, Brian Buczak, John Cage, Giuseppe Chiari, Philip Corner, Erik Dietman, Jean Dupuy, Robert Filliou und anderen mehr an.

Gezeigt werden beispielsweise sechs Water Yam-Schachteln von George Brecht (1926-2008). Brecht verschickte seit 1961 kleine Karten mit Aktionsvorschlägen als „Mail-Art“ an seine Freund*innen. Die knappen Anweisungen auf den Karten, sogenannte „Events“, sind Anregungen für Ereignisse. Sie können hier und jetzt nach der eigenen Vorstellung umgesetzt oder auch nur in Gedanken durchgespielt werden. Die Water Yam-Schachteln beinhalten bis zu 100 solcher Event-Partituren. Die Idee, sie in Schachteln aus Holz, Papier und später auch Plastik gesammelt zu veröffentlichen, geht zurück auf den Fluxus-Gründer George Maciunas. Ab 1963 gestaltete dieser die Schachteln und gab sie als erste Auflagenobjekte in der „Edition Fluxus“ heraus. Von Robert Filliou (1926-1987) wird neben vielen anderen Werken des Künstlers der Fest-Stuhl von 1976 präsentiert. Filliou nutzte für dieses Objekt das Metallgestell eines defekten Campingstuhls von Erik Andersch. Die Auflagefläche besteht aus dem Sitzplan eines gemeinsam besuchten Aioli-Fests. Dorothee und Erik Andersch verband eine langjährige enge Freundschaft mit Marianne und Robert Filliou. Die Familien besuchten sich häufig gegenseitig in Düsseldorf und dem südfranzösischen Flayosc. Davon zeugt der Fest-Stuhl. Eine Porzellanscherbe, auf der eine Widmung des Künstlers für die Anderschs zu lesen ist, stammt womöglich von einem während des Feierns zerbrochenen Teller. Der Fest-Stuhl zeigt, wie Kunst und Leben für Filliou ineinanderfließen. Alles kann künstlerisches Material sein und jede Handlung zum Kunstwerk erklärt werden, so auch der Besuch eines Dorffests im Freundeskreis.


Öffnungszeiten:
Dienstag - Freitag: 11:00 - 17:00 Uhr
Samstag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
an jedem 3. Donnerstag im Monat: 11:00 - 22:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: museum-abteiberg.de