Das SCHAUWERK Sindelfingen präsentiert eine Einzelausstellung des US-amerikanischen Künstlers Doug Aitken (*1968). Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sich Aitken mit verschiedenen Medien, von Film und Sound, Skulpturen, Performances bis zu ortsspezifischen Installationen. Thematisch befassen sich seine Kunstwerke häufig mit gesellschaftlichen Entwicklungen der Gegenwart: Entfremdung, Isolation und den komplexen Beziehungen zwischen Mensch, Natur und Technik.
Die Ausstellung umfasst zehn Arbeiten aus den letzten 15 Jahren. Zu sehen sind Installationen, Skulpturen und bewegte Bilder – darunter die Videoinstallation Wilderness (2022), die erstmals in Europa gezeigt wird. Mit seinen immersiven multimedialen Arbeiten gelingt es ihm, Aspekte unserer Zeit einzufangen, erleb- und spürbar zu machen.
Doug Aitken sagt über die sich ständig beschleunigende Gesellschaft von heute: „Wir leben in einer Zeit des Umbruchs und der Ungewissheit und sind Teil einer beispiellosen technologischen und kulturellen Revolution.“ Ihn treibt die Frage um, wie wir uns in dieser Welt zurechtfinden und wie wir die Zukunft gestalten. Mit seiner Kunst möchte er Werkzeuge der Entschleunigung schaffen, die dazu anregen, sich wieder mit der Idee des Selbst und der Idee der Landschaft um uns herum zu verbinden.
Die Ausstellung „Return to the Real“ ermöglicht ein Erlebnis von außerordentlicher Intensität. Besucher:innen können in die multimediale Landschaft eintauchen und mit einzelnen Objekten interagieren. Doug Aitken formuliert in einem Interview: „Ich war schon immer an der Idee interessiert, den Bildschirm aufzubrechen und eine Situation zu schaffen, in der der Betrachtende tatsächlich in der Welt des Kunstwerks ist und sich wirklich mit ihm bewegt, tanzt, verschmilzt und von ihm herausgefordert wird.”
Die Videoinstallation Wilderness (2022) ist ein Highlight der Ausstellung. Die Arbeit ist kreisförmig angeordnet, mit einer 360-Grad-Projektion, die vier Projektionsflächen umfasst. Sie entstand über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren an einem Strand in Los Angeles in der Nähe von Aitkens Haus. Geographisch begrenzt durch die Restriktionen während der Covid-19-Pandemie, ging der Künstler jeden Tag an den Strand des Pazifischen Ozeans. Bei Sonnenuntergang bemerkte er immer wieder eine starke Energie: Sie entstand durch das Kommen und Gehen der Menschen, die sich am Strand versammelten, um das Ritual zu begehen: den Übergang des Tages in die Dunkelheit der Nacht zu beobachten. Von Aitken verfasste Songzyklen, die oft nur aus Wörtern und Sätzen bestehen, werden von KI-generierten Stimmen wiedergegeben und erzeugen eine surreale Atmosphäre. Das Kunstwerk erforscht den Lebenszyklus des Individuums, der Gesellschaft und der Umwelt und hinterfragt dabei die unausweichliche Verschmelzung von Realem und Digitalem. Aitken untersucht dieses System des ständigen Wandels und die Sehnsucht, einer destabilisierten Gegenwart und der Ungewissheit der Zukunft zu entkommen.
Die zweite große Videoinstallation in der Ausstellung ist migration (empire) (2008). Das Werk ist auf drei hintereinanderstehenden Billboards aus Stahl mit jeweils fünf Meter breiten Leinwänden zu sehen. Verlassene Städte, Häuser und Landschaften ziehen vorbei und nehmen die Betrachter:innen mit auf einen visuellen Roadtrip. Die Arbeit wurde in Motelzimmern verschiedener Städte gefilmt, Tausende von Meilen quer durch die USA. Sie besteht aus einer Reihe von Szenen, die nordamerikanische Wandertiere bei der Erkundung dieser Zimmer zeigen. Die Tiere setzen sich entsprechend ihrer Urinstinkte mit den künstlichen Umgebungen auseinander. In migration (empire) stehen die Landschaft und die Tiere im Fokus, die bereits vor der menschlichen Besiedlung existierten und die im Gegensatz zur monotonen Architektur der heutigen Landschaft stehen.
Erwähnenswert sind auch die beiden Installationen 3 Modern Figures (don't forget to breathe) (2018) und All doors open (2019). Sie bestehen aus lichtdurchlässigen Figuren, die aus sich heraus leuchten. Licht in verschiedenen Farben strahlt und pulsiert aus jeder Figur. Drei menschliche Figuren stehen und ruhen auf einem rohen Holzboden. Ihre Posen sind anti-heroisch und nicht monumental: Sie sind alle inmitten eines Anrufs festgehalten. An der Stelle, an der sie ein Telefon in den Händen halten sollten, befindet sich stattdessen ein negativer Raum. In All doors open sitzt eine Frau an einem Tisch, ihr Kopf darauf ruhend abgelegt und ein Handy neben ihr liegend. Aitken bezieht sich in den Arbeiten auf Phänomene unserer heutigen Zeit: die Verschmelzung von Digitalem und Realem und die Fragmentierung von Raum und Zeit durch die Möglichkeit, gleichzeitig im Hier und Jetzt sowie an weit entfernten Orten zu sein.
Skulpturen, Leuchtkästen wie auch Spiegelarbeiten ergänzen die Präsentation und geben einen Überblick über Aitkens Schaffen der letzten 15 Jahre.
Eschenbrünnlestraße 15/1
71065 Sindelfingen