Marlena Kudlicka (geb.1973, in Tomaszów Lubelski, Polen) untersucht in ihrem Werk mathematische und linguistische Strukturen und konzentriert sich auf die Mechanik räumlicher und semantischer Beziehungen, die die Kommunikation, die Sprache und den Raum betreffen. Ihre sorgfältig ausgearbeiteten, oft rigorosen skulpturalen und reliefartigen Konstruktionen, für die sie in der Regel Materialien wie Stahl, Glas und Emaille verwendet, spiegeln die Denkprozesse hinter den Mustern, Systemen, Gleichungen und Formeln wider. Sie interessiert sich für die Frage, welche „Präzisionstoleranz“ erlaubt ist, um Gedanken in eine physische Form zu verwandeln. Auf ihrem Weg zwischen Präzision und Fehler schöpft Kudlicka aus der Tradition der historischen Avantgarde, insbesondere des russischen Konstruktivismus, einschließlich der suprematistischen Malerei, der utopischen Architektur des Konstruktivismus und des Erbes der konstruktivistischen Filmexperimente.

Für die Kestner Gesellschaft entwickelte Kudlicka für die Stirnwand im Bereich des Tender Buttons Cafés eine zugleich massiv und filigran-elegant wirkende Wandskulptur mit dem Titel one more than 1o (dt.: „eins mehr als 1o“). An einer Verbindungslinie von 17 Metern sind drei größere Kreise in den Farben Dunkelrot, Schwarz und Perlweiß in unterschiedlichen Abständen voneinander eingereiht, die von Angliederungen kleinerer Schriftzeichen wie Klammern, Anführungszeichen, Prozentangaben, Zahlen und Buchstaben wie eine umgedrehte 1 sowie ein großes A oder kleines t begleitet sind.

So wie der Raum nach Auffassung El Lissitzkys beweglich und elementar zugleich sein sowie ein inneres Gleichgewicht besitzen sollte – „Wir wollen den Raum als ausgemalten Sarg für unsere lebenden Körper nicht mehr“ – geht die Skulptur one more than 1o eine mobile, lebendige Wechselbeziehung der Dinge ein und erweitert so den eigenen Wahrnehmungsraum.

Biographie
Marlena Kudlicka erhielt ihren Master of Arts in Malerei und Zeichnung an der Fakultät für Malerei, Grafik und Bildhauerei der Akademie der Schönen Künste in Poznan, Polen (1993–98). Ihre Arbeiten wurden an verschiedenen internationalen Ausstellungsorten gezeigt, wie im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart Berlin; im Weserburg Museum für moderne Kunst Bremen; im Wroclaw Contemporary Museum; in der Zacheta National Gallery Warschau; im Museum of Art Lodz; im Ludwig Museum of Contemporary Art Budapest, sowie im CGAC Santiago de Compostela, Spanien.

Kudlickas Werke befinden sich auch in zahlreichen Museumssammlungen.