In Erinnerung an die Opfer des rassistischen Terroranschlags vom 19. Februar 2020 in Hanau, Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtovic, Vili-Viorel Paun, Fatih Saraçoglu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov, in Erinnerung an Oury Jalloh und in Erinnerung an alle Opfer rassistischer Gewalt.

Das Projekt Three Doors wurde 2022 von der multidisziplinären Forschungsgruppe Forensic Architecture (FA) und deren Berliner Schwesterorganisation Forensis in Zusammenarbeit mit der Initiative 19. Februar Hanau und der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh entwickelt.

Gemeinsam mit den Angehörigen und Überlebenden und deren Unterstützer*innen widmen sie sich zwei Fällen tödlicher rassistischer Gewalt in Deutschland: dem Attentat 2020 in Hanau, bei dem Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtovic, Vili-Viorel Paun, Fatih Saraçoglu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov getötet wurden, sowie der Ermordung Oury Jallohs 2005 in einer Gefängniszelle in Dessau. Trotz erdrückender Beweise muss für die gerichtliche Anerkennung dieses Mordes weiterhin gekämpft werden.

Mittels neuester Technologien der Raum- und Architekturanalyse sowie innovativer bildwissenschaftlicher und journalistischer Methoden wurden die Tatorte und Geschehnisse in Hanau und Dessau von Forensic Architecture/Forensis eingehend rekonstruiert und untersucht. Die Aussagen der Angehörigen der Opfer und der Überlebenden spielen dabei eine zentrale Rolle. Three Doors schafft Raum für eine auf zivilgesellschaftlichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Untersuchungen basierende Gegenerzählung zu den von staatlicher Seite vertretenen Darstellungen der Vorfälle.

Im Vordergrund des Projektes stehen drei Türen, die verschlossen waren, als sie hätten geöffnet sein müssen, und umgekehrt. Konkret handelt es sich um den verschlossenen Notausgang in der Arena Bar, einem der Tatorte in Hanau; die in der Hanauer Tatnacht lange Zeit unbewachte Tür des Täterhauses; sowie die Tür der Gefängniszelle in Dessau, in der Jalloh verbrannte.

Die Ergebnisse der Forschungen von Forensic Architecture/Forensis werden nicht nur in Ausstellungen präsentiert, sondern auch vor Gericht und im Rahmen von Untersuchungsausschüssen. In der Ausstellung sind sie in Form von Videos, Podcasts, Wandgrafiken, 3D-Animationen und architektonischen Rekonstruktionen zu erfahren. Neue Erkenntnisse und Aspekte, die sich im Laufe der jüngsten Recherchen und Entwicklungen ergaben, wurden in die Präsentation aufgenommen.

Das Attentat in Hanau und der Mord an Oury Jalloh in Dessau werden in der Ausstellung als spezifische und zugleich exemplarische Vorfälle struktureller rassistischer und rechtsextremer Gewalt in Deutschland verhandelt und so zum Beispiel auch im Zusammenhang mit der Neonazi-Terrororganisation NSU, speziell deren Ermordung von Halit Yozgat in Kassel, thematisiert.

Die Ausstellung wurde als ein Ort der Erinnerung, Aufklärung und des Widerstands konzipiert sowie als Plattform eines umfangreichen Veranstaltungsprogramms, das unter enger Beteiligung der Angehörigen der Ermordeten und ihrer Unterstützer*innen sowie weiterer Gruppen und Initiativen entwickelt wird. Entstehen soll ein offener Lernort, der sich gegen rassistische und rechtsextreme Kräfte in Deutschland richtet und für die Solidarität mit den davon Betroffenen einsetzt.

Nach dem erfolgreichen Auftakt der Ausstellung im Frankfurter Kunstverein (2022) war das Projekt bislang im Haus der Kulturen der Welt in Berlin (2022) sowie, in Teilen, im Neustädter Rathaus in Hanau (2023) zu sehen. 2024 wird es, neben dem Württembergischen Kunstverein, auch im Museum im Kulturspeicher Würzburg gezeigt.

Hinweis: Diese Ausstellung befasst sich mit Rassismus und Gewalt und könnte eine verstörende Wirkung haben. 

Forensic Architecture
Forensic Architecture ist eine 2010 von dem israelischen Architekten Eyal Weizman gegründete multidisziplinäre Forschungsgruppe mit Sitz an der Goldsmiths University of London, die weltweit Fällen von Menschenrechtsverletzungen nachgeht, darunter auch der Gewalt, die von Staaten, Polizeikräften, Militärs oder Unternehmen ausgeübt wird. Sie gehört unter anderem dem Technologiebeirat des Internationalen Strafgerichtshofs an. Die aus Architekt*innen, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Filmemacher*innen, Softwareentwickler*innen, investigativen Journalist*innen, Archäolog*innen und Jurist*innen bestehenden Teams führen ihre Untersuchungen im Auftrag von zivilgesellschaftlichen Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen durch. Sie setzen in ihrer Arbeit modernste Technologien der Raum- und Architekturanalyse, der Open-Source-Anwendung und digitalen Modellierung sowie avancierte Methoden der dokumentarischen Recherche und des situativen Interviews ein. Die Teams von Forensic Architecture arbeiteten mit höchster Transparenz und präsentieren ihre Forschungsergebnisse in Versammlungen der Vereinten Nationen, vor nationalen und internationalen Gerichten und Gerichtshöfen, in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, Bürger*innen-Tribunalen oder Wahrheitskommissionen. Sie werden von internationalen Medien anerkannt. Spätestens seit der Teilnahme an der documenta 14 in Kassel (2017) ist Forensic Architecture im internationalen Kunstbetrieb von großer Präsenz.

Die Forschungen von Forensic Architecture zur Ermordung Halit Yozgats durch die NeonaziTerrororganisation NSU in Kassel, die auf der documenta 14 zu sehen waren, wurden unter anderem im Untersuchungsausschuss NSU in Kassel angehört und in den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses NSU des Deutschen Bundestages aufgenommen.

Forensis
Forensis, die Berliner Schwesterorganisation von Forensic Architecture, wird von der griechischen Architektin Dimitra Andritsou und dem britischen Journalisten und Forscher Robert Trafford koordiniert. Trafford wurde im Kontext des Untersuchungsausschusses Hanau mehrfach als Sachverständiger in den Hessischen Landtag eingeladen.