Die Kunsthalle Bielefeld zeigt vom 23. März bis 16. Juni 2024 die Arbeiten zweier Künstlerinnen, die das gesellschaftspolitische Geschehen ihrer jeweiligen Zeit kritisch reflektieren und durch ihre Werke „Stellung beziehen".
In der Ausstellung begegnen sich mit Käthe Kollwitz (1867–1945) und Mona Hatoum (*1952, lebt in London), zwei Künstlerinnen – eine historische und eine zeitgenössische Position –, die mit ihrer Kunst ein Mahnmal gegen Leid und Unterdrückung und für mehr Menschlichkeit setzen. Die Kunsthalle präsentiert rund 80 Zeichnungen, Druckgrafiken und Plastiken von Kollwitz, die mit fünf großformatigen Skulpturen und Installationen Hatoums in einen Dialog gesetzt werden.
„Ich will wirken in dieser Zeit“ gehört zu den bekanntesten Aussprüchen von Käthe Kollwitz, der wohl berühmtesten deutschen Künstlerin des 20. Jahrhunderts, die ihre künstlerische Praxis stets mit einem sozialpolitischen, humanitären und pazifistischen Engagement verbunden hat. Sie ist bekannt für ihre Parteinahme für den durch Armut und Krieg bedrängten Menschen am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Mit Empathie nahm sie sich der menschlichen Schicksale angesichts von Industrialisierung, Landflucht und Arbeitslosigkeit an. Kollwitz‘ Erfahrung zweier Weltkriege und deren Folgen, darunter der Verlust des eigenen Sohnes, der 1914 fiel, spiegeln sich zudem in ihrem Werk. Dabei wählte sie Druckgrafik und Zeichnung als ihre wesentlichen Medien und fand darin zu einer eigenständigen Bildsprache von großer Ernsthaftigkeit und Eindringlichkeit.
Bis heute haben ihre Arbeiten nicht an Aktualität und Relevanz verloren, wie etwa das prominente Plakat „Nie wieder Krieg“ (1924) für die „Sozialistische Arbeiterjugend“ in Leipzig zeigt. Es bleibt bis heute das wohl bekannteste deutsche Anti-Kriegsplakat.
Die Kunsthalle Bielefeld besitzt eine umfangreiche Sammlung von Käthe Kollwitz. Sie ist eine der ersten künstlerischen Positionen, von der Arbeiten für die Sammlung des Museums angekauft wurden. Ausgehend von diesem Bestand an wichtigen Werken, präsentiert die Ausstellung eindrucksvolle Leihgaben aus dem Käthe Kollwitz Museum Köln sowie aus weiteren Museen und Privatsammlungen in Deutschland und der Schweiz.
Insgesamt fünf Arbeiten der in Beirut geborenen, britischpalästinensischen Künstlerin Mona Hatoum (*1952, lebt in London) erweitern die Ausstellung um eine zeitgenössische Perspektive. Hatoum, die sich 1975 für einen kurzen Besuch in London aufhielt und durch den Ausbruch des Bürgerkriegs im Libanon daran gehindert wurde, in ihre Heimat zurückzukehren, zählt zu den einflussreichsten Künstler*innen ihrer Generation. Ähnlich wie Kollwitz thematisiert die Künstlerin und Trägerin des Käthe-Kollwitz-Preises von 2010 in ihrem Werk menschliche Grunderfahrungen.
Zentral in ihren Arbeiten sind die Themen Exil und Vertreibung, genauso wie das Vertraute und Häusliche, das durch institutionelle Gewalt und Machtsysteme entfremdet, bedroht oder zerstört wird Hatoum artikuliert diese Themen durch eine klare, minimalistische Formensprache. In ihren großformatigen Installationen verwendet sie oft einfache geometrische Formen, die Ordnung und Stabilität suggerieren und gleichzeitig das Potential eines plötzlichen Zusammenbruchs in sich tragen.
Während Kollwitz auf der figürlichen Ebene stets dem äußeren Erscheinungsbild des Menschen treu bleibt, ist in Hatoums Arbeiten der Mensch ebenfalls präsent. Das verdeutlicht auch ihre Arbeit "Cellules", bestehend aus acht stählernen Käfigen unterschiedlicher Größe, die jeweils auf die menschliche Durchschnittsgröße zugeschnitten sind. Im Inneren jedes Stangengeflechts befindet sich ein zerbrechliches und amorphes mundgeblasenes rotes Glasobjekt, das wie ein fremdes Wesen oder ein unspezifisches Körperteil in seinem eigenen anthropomorphen Käfig gefangen ist. "Cellules" bedeutet im Französischen "körperliche Zelle", kann jedoch im übertragenen Sinne auch auf eine Arrestzelle hinweisen.
Beide Künstlerinnen arbeiten mit einer auf das Wesentliche reduzierten Formsprache und einen minimalistischen Einsatz von Farbe. Wenngleich sich beide mit ernsten Themen befassen, sind ihre Arbeiten kein Ausdruck von Resignation. Mit ihrer jeweiligen aktiven Mahnung gegen Leid und Unterdrückung zeugen sie, im Gegenteil, von positivem Engagement.
Eine Ausstellung in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich, in Zusammenarbeit mit dem Käthe Kollwitz Museum Köln.
Öffnungszeiten:
Dienstag: 11:00 - 18:00 Uhr
Mittwoch: 11:00 - 21:00 Uhr
Donnerstag - Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen
Weitere Informationen direkt unter: kunsthalle-bielefeld.de