Die Einzelausstellung The Land: Not Without a Politic von Rodney McMillian (*1969 in Columbia, South Carolina, lebt in Los Angeles, USA) versammelt Malereien, Skulpturen und Videos von 2001 bis heute. Mit seinen Werken zeichnet der Künstler ein Bild einer (amerikanischen) Landschaft, die nie frei ist von politischen und ökonomischen Zusammenhängen. McMillian thematisiert exemplarisch das soziale Gefüge der USA, das durch und durch von Kategorisierungen nach Klasse, ökonomischem Status, race[1], Geschlecht und Tradition geprägt ist. Hierfür verwendet der Künstler eine Vielzahl von Medien: In der Ausstellung zu sehen sind großformatige, gestische Malereien, die auf gebrauchten Materialien aufgetragen werden; sowie Videos, in denen der Künstler selbst performt, als auch Skulpturen, die wiederum aus poveren Materialien hergestellt sind.
Rodney McMillian nutzt insbesondere das Medium Malerei und nimmt Bezug auf die Geschichte der amerikanischen Landschaftsmalerei, um die Inhalte seines Werks auszuformen. Die großformatigen Arbeiten sind vielfach abstrakt und expressiv und haben sich zu einem breiten Farbspektrum hin entwickelt. McMillian nutzt dafür gebrauchte Materialien aus dem Haushalt wie Teppiche oder Bettlaken, die bereits Nutzungsspuren in sich tragen.
Im zentralen Raum der Gehry-Galerien wurde das 24 Meter hohe Rundgemälde „shaft“ (2021/2022) errichtet, das aus mehreren bemalten Leinwänden zusammengefügt ist. Die Arbeit, die sich auf den gleichnamigen Film aus dem Jahr 1971 des Regisseurs Gordon Parks bezieht, stellte der Künstler für die New Yorker Whitney Biennale 2022 her und sie kann aufgrund des Formats nur in wenigen Gebäuden präsentiert werden.
Umgeben wird das Werk von drei großformatigen, teils auf Teppichen und bestickten Stoffen gemalten, fahnenartige Malereien, die in sich Mehrdeutigkeiten und malerische Ansätze verhandeln. Neben den flaggenartigen Bildern ist im Dom ebenfalls das Video „Untitled (The Great Society)“ (2006) zu sehen. McMillian fungiert darin als Performer, der die berühmte Rede des US-Präsidenten Lyndon B. Johnson über die Vision für eine „groß(artig)e Gesellschaft“ aus dem Jahr 1964 an der Universität von Michigan reinszeniert. Präsident Johnson beschreibt in seinem Text seine Pläne für eine neue, bahnbrechende Sozialgesetzgebung, die die Beendigung von Armut und rassistischer Ungerechtigkeit sowie den Ausbau des Bildungssystems und der Umweltpolitik avisierte – eine Gesellschaft, die es bis heute so nicht gibt.
In den meisten seiner Filme performt der Künstler persönlich und inkorporiert historische politische Kontexte der 1960er Jahre, die bereits lange vor der „Black Lives Matter“-Bewegung die sozialen und psychologischen Folgen der wirtschaftlichen Ungleichheit von Schwarzen in den Vereinigten Staaten aufzeigen. So ist der Künstler auch in dem Film mit dem Titel „A Migration Tale“ (2014–2015) zu sehen, der in der Langen Galerie präsentiert wird. In diesem folgt die Kamera dem maskierten, schwarz gekleideten Künstler, der zunächst auf einer Veranda in South Carolina sitzend den Song „Satisfaction“ (1965) der Rolling Stones hört. Von dort aus bewegt er sich über die Treppen des Regierungssitzes von South Carolina und dann in die New Yorker U-Bahn. Anschließend sieht man ihn mit anderen Menschen in Harlem auf der Straße tanzen und im Central Park sitzen. Die Orte sind typische Stationen der „großen Migration“, die Millionen von Afroamerikaner*innen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchlebt haben.
Dem Film gegenüber steht das Gemälde „Untitled (4443 Prospect Ave.)“ (2009). Es zeigt die Fassade des Hauses, in dem der Künstler zum Entstehungszeitpunkt der Arbeit in Los Angeles lebte. Die Malerei, die sich an die geschwungenen und gekippten Wände des Gehry-Museums anschmiegt, dominiert den Raum. Mit ihr entfalten sich weitere Aspekte des Themas des Heimischen als Repräsentations- oder Rückzugsort. In der Anspielung auf die Vorstellung vom Haus als Repräsentation des „amerikanischen Traums“ wird ein Differenzraum zur Realität sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheiten.
Die Frage der Repräsentation und welche Personen bzw. welche Symbole wie repräsentiert werden, spielt auch in den Stillleben eine wichtige Rolle. So sind Geschichte und Vergänglichkeit ganz direkt erfahrbar: McMillian nutzt hier Motive, die nicht nur den bürgerlichen Wohlstand symbolisieren, sondern Bildelemente, die die Belange einer breiteren Gesellschaft widerspiegeln.
Europäisch geprägte Formen klassizistischer Säulen und Fassaden tauchen in der gesamten Ausstellung als Skulpturen auf, deren Machtsymbolik dekonstruiert wird. Gleich beim Eintreten in die Ausstellung werden die Besuchenden von zwei präparierten Pavianen empfangen, die auf Säulen stehen, deren Proportionen nicht umsonst den Twin-Towers nachempfunden sind.
Ein weiteres prominentes Gebäude ist zu sehen in „Untitled (The Supreme Court Painting)“ (2004–2006): Das Haus des Obersten Gerichtshofs der USA wird durch die labile, in sich zusammensackende Darstellung der Säulenarchitektur malerisch hinterfragt. Inhaltlich stellt es Fragen an die Institution, hinsichtlich der Erfüllung ihrer Rolle, demokratische Rechte und die Gleichberechtigung aller Bürger*innen zu vertreten. Dieses Gebäude steht hier im Kontext mit den „18 Boxes“ (2006), die an sogenannte Armensärge erinnern, sowie mit dem Stillleben „Bald Eagle“ (2002). Letzteres rückt statt des im Titel versprochenen Weißkopfseeadlers, einen toten Kanarienvogel in den Fokus und spielt so abermals mit der Verschiebung von (Macht-)Symboliken.
Der Ausstellungsrundgang endet mit der Videoarbeit „Preacher Man II“ (2017–2021). In der Videoarbeit nimmt McMillian auf einem Stuhl in einer subtropischen Umgebung Platz und rezitiert einen Text des Bürgerrechtsaktivisten Kwame Ture aus dem Kontext der Black Power-Bewegung. Ture dekonstruiert darin Machtverhältnisse in der Gesellschaft und fragt, warum und welche Menschen im Namen einer Nation berechtigt sind, Gewalt auszuüben. Es geht insbesondere um die Rolle liberaler Kräfte, die dazu beitragen bestehende Strukturen aufrechtzuerhalten, sowie die konstruierte Natur von Recht und Unrecht.
Durch seine erste Einzelausstellung in Europa im Neuen Aachener Kunstverein im Jahr 2007 wurden zahlreiche Sammler*innen auf Rodney McMillian aufmerksam. Für die Ausstellung konnten nun Werke aus deutschen privaten und öffentlichen Sammlungen ausgeliehen werden, die mit weiteren, meist neuen Arbeiten aus den USA, die wie für die Räume geschaffen scheinen, kombiniert wurden. Inhaltlich ergibt sich ein stringentes Bild eines politisch-künstlerischen Interesses an Fragen von Repräsentation und Nicht-Repräsentation sowohl formal als auch inhaltlich.
Rodney McMillian lebt und arbeitet in Los Angeles. Er ist aktuell Professor und Vorsitzender der Skulptur-Abteilung des Departments of Art und Leiter der UCLA-School of Arts and Architecture der University of California, Los Angeles. Er studierte selbst Internationale Beziehungen an der University of Virginia und danach Bildende Kunst an der School of the Art Institute of Chicago, der Skowhegan School of Painting and Sculpture sowie am California Institute of the Arts, Los Angeles. Wichtige Lehrer waren hier u.a. Charles Gaines, Paul McCarthy und Michael Asher.
Wie kaum andere US-amerikanische Künstler*innen kann er auf zahlreiche institutionelle Ausstellungen in den Vereinigten Staaten zurückblicken und zeigt im Marta Herford mit The Land: Not Without a Politic nun die erste umfassende Schau in Europa. Die Bedeutung von McMillians Œuvre wurde international bereits durch zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen manifestiert. Die USA und Los Angeles sowie der westlich geprägte Kunstkontext dienen dem Künstler als Nährboden für seine Arbeit. Ebenfalls in Los Angeles entwickelte der Architekt des Marta Herford, Frank Gehry, seine in diesem Museum erlebbare Formsprache.
Öffnungszeiten:
Dienstag: 11:00 - 18:00 Uhr
Mittwoch: 11:00 - 20:00 Uhr
Donnerstag - Sonntag (Feiertage): 11:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen
Weitere Informationen direkt unter: marta-herford.de