Das laufende künstlerische Forschungsprojekt von Miji Ih beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf Frauen im damals noch ungeteilten Korea und in Japan. Die Künstlerin lässt mit den Mitteln der Fotografie Personen lebendig werden, denen es verwehrt oder unmöglich war, ihre Geschichte selbst zu erzählen.

Im Zentrum von Miji Ihs Werken steht eine koreanische Frau, die um 1943/44 unter falschen Vorwänden nach Japan gebracht wurde und dort als sogenannte „Trostfrau“ Zwangsarbeit verrichten musste. Im Jahr 1975 wird ihre Geschichte in Teilen medial aufgegriffen, aber von den vorhergehenden drei Jahrzehnten, in welchen sie unter der amerikanischen Besetzung Okinawas als staatenlos galt, ist kaum etwas bekannt.

An diesem Punkt setzt die Arbeit von Miji Ih an. Ein im Verfall begriffener Hauseingang, ein Blumenstrauß, ein Schiffsgeländer, ein kranker Vogel, militärische Infrastruktur, ein touristisches Hinweisschild: Die Aufnahmen sind still und konzentriert, bergen aber stets ein rätselhaftes Moment. Sie stellen den Versuch dar, eine bildliche Sprache gegen das Vergessen zu schaffen. Zugleich thematisieren die Fotografien Aspekte von Kolonialismus, patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen, Emanzipation, Stigmatisierung, Scham und den (Un-)Möglichkeiten zu sprechen – Themen, die bis in unsere Gegenwart wirken. Damit reflektiert Miji Ih über die Möglichkeiten der Fotografie, der konzeptuell-künstlerischen wie der dokumentarischen, historischen Gegebenheiten und Persönlichkeiten ein Bild zu geben und neue, der eigenen Zeit entsprechende Ebenen von Verständnis zu erschließen.

Miji Ih (geb. 1990 in Seoul, Südkorea) studierte Fotografie an der Kaywon School of Art and Design in Südkorea sowie an der Universität der Künste in Berlin, wo sie 2021 ihr Meisterschülerinnenstudium in der Klasse von Josephine Pryde abschloss. Miji Ihs Arbeit wurde vielfach gefördert und national wie international ausgestellt, unter anderem beim Seoul Photo Festival und im Museum für Fotografie in Berlin. Sie lebt und arbeitet in Berlin.