Die grotesk-komische Bildwelt von Friedrich-Schröder Sonnenstern (1892 – 1982) hat wiederholt internationale Anerkennung erfahren, aber ebenso Kontroversen hervorgerufen. Bis heute zählt der Künstler zu den sog. Outsidern. Nachdem er 1959 auf einer bedeuten-den Surrealisten-Ausstellung in Paris vertreten war und sich André Breton, Hans Bellmer und Jean Dubuffet für seine Kunst begeisterten, erreichte er zeitweise große Beachtung. Sein Stern verblasste in den 1970er Jahren, als zunehmend Werkstatt-Arbeiten und Fälschungen von ihm den Markt eroberten. Seither gibt es Wellen der zeitweiligen Wiederentdeckung und des Vergessens. 

Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um „In- und Outsider“ der modernen und zeitgenössischen Kunst versucht die Ausstellung einen neuen, unvoreingenommenen Blick auf das Werk dieses Außenseiters zu werfen, das sich nicht in bekannte kunsthisto-rische Schubladen einordnen lässt. Schon 2013 versuchte Massimiliano Gioni auf der Biennale in Venedig die Grenzen zwischen professionellen Künstlern und Amateuren, „Outsidern und Insidern“, zu verwischen und präsentierte mehrere Arbeiten von Schröder-Sonnenstern.

Unsere Ausstellung zeigt erstmalig rund 40 Zeichnungen und 20 Grafiken aus der Berliner Privatsammlung von Angelika Bütow, ergänzt um sieben Zeichnungen aus der Kölner Sammlung Zander. Den Anstoß für Angelika Bütow, Werke von Schröder-Sonnen-stern in über 50 Jahren zusammenzutragen, gab eine persönliche Begegnung im Jahr 1969. Die spätere Psychologin arbeitete damals als Beschäftigungstherapeutin in der Berliner Psychiatrie, wo sie den Künstler kennenlernte und mit ihm nach seiner Entlassung bis zu seinem Tod eine freundschaftliche Verbindung pflegte.  

Die umfassende Sammlung Zander mit Vertreterinnen und Vertretern der sog. Art Brut, Outsider Art und Naiven ist dagegen einer breiten Öffentlichkeit durch die langjährige Präsentation in Bönnigheim bei Ludwigsburg (1996 – 2020) bekannt. Sie enthält acht Arbeiten von Schröder-Sonnenstern, von denen sieben in Goslar ausgestellt sind.

Die Präsentation der Werke von Friedrich Schröder-Sonnenstern in unserem Hause hat eine Vorgeschichte. Unser Vereins- und Museumsgründer Th. K. Peter Schenning war von dessen Werken fasziniert und hat sie bereits 1973 – noch vor der Gründung des Museumsvereins 1974 – in seiner Junior-Galerie in Goslar und auf dem Messegelände in Hannover präsentiert, damals noch zeittypisch unter dem Titel Genieoder Irrer?

Die Beurteilung des Œuvres von Friedrich Schröder-Sonnenstern erfolgte meist nicht unabhängig von seiner abenteuerlichen Lebensgeschichte. Bevor der Künstler mit 57 Jahren zu zeichnen begann, hatte er Erfahrungen als Meierei-Gehilfe, Vagabund, Führer einer religiös-mystischen Sekte, Heiler, Wahrsager und Heiratsschwindler gemacht. Zudem wurde er bereits 1918 entmündigt und blickte auf mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie zurück, wo bei ihm schon 1912 und 1917 Schizophrenie bzw. ein schizophre-ner Schub diagnostiziert wurde. Ein späteres Gutachten 1934 lehnte diese Diagnose wiederum ab. Schröder-Sonnenstern galt dennoch lange als Vertreter einer „Bildnerei der Geisteskranken“, wie Hans Prinzhorn 1922 die Kunst psychisch Kranker beschrieb, oder der Art brut. Dieses Urteil sorgte lange für eine Marginalisierung und Stigmatierung seiner Kunst. 

Inwieweit sich neue Sichtweisen auf das Werk ergeben – unabhängig von psychia-trischen Diagnosen – untersucht die Goslarer Ausstellung.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Angelika Bütow, Pamela Kort, Bettina Ruhrberg, Daniel Yakubovich und Susanne Zander, 164 Seiten, zum Preis von 18 Euro.