Die Neue Nationalgalerie widmet Christoph Schlingensief (1960–2010), dem äußerst einflussreichen deutschen Künstler, Autor, Filmemacher, Theater- und Opernregisseur und Professor der Bildenden Kunst in ihrer aktuellen Sammlungspräsentation „Zerreißprobe“ einen eigenen Raum. Im Zentrum steht das Werk „Deutschland versenken“ aus dem Jahr 1999, das Teil seines Projektes „Deutschlandsuche ´99“ darstellt. Die Neue Nationalgalerie freut sich besonders, dass dieses Werk dank der großzügigen Schenkung von Aino Laberenz, die den Nachlass von Christoph Schlingensief verwaltet, nun dauerhaft Teil ihrer Sammlung wird.

Schlingensief wurde 1999 vom MoMA PS1 nach New York eingeladen und inszenierte an der Freiheitsstatue die Aktion „Deutschland versenken“. Das mit Absicht gewählte Datum für die Aktion, der 9. November 1999, war als Verweis auf bedeutende historische Ereignisse in Deutschland gedacht, etwa die Pogromnacht (1938) und den Fall der Berliner Mauer (1989). Schlingensief führte eine rituelle Performance oder in seinen Worten „Aktion“ durch, bei der er vor der Freiheitsstatue niederkniete und damit an den historischen Kniefall des ehemaligen deutschen Kanzlers Willy Brandt in Warschau erinnerte. Im Anschluss warf er eine Urne mit der symbolischen „Asche Deutschlands“ sowie einen mit 99 deutschen Alltagsgegenständen gefüllten Koffer in den Hudson River und markierte damit kurz vor Beginn der Jahrtausendwende das sinnbildlich Ende Deutschlands.

Schlingensiefs Arbeit umfasst eine Vielzahl von Medien, darunter Film, Theater, Oper, Fernsehen sowie Konzeptkunst, Installationen und Performance, Installations- und Performancekunst. Bekannt wurde Schlingensief für seine grenzüberschreitende künstlerische Herangehensweise, bei der sich Schockwirkung oftmals mit tiefsinnigen politischen Kommentaren verband. In seinen Arbeiten beschäftigte er sich mit Themen wie Nationalismus, Identität und die dunkleren Aspekte der deutschen Geschichte. Dabei hinterfragte er stets gesellschaftliche Normen und kulturelle Selbstgefälligkeit. Sein Ansatz war darüber hinaus zutiefst verwoben mit ethischen und moralischen Belangen, mit denen er sich auch in seinen Büchern zu Themen wie Tod, Krankheit, Ausgrenzung und Glaube auseinandersetzte. Der Neuen Nationalgalerie ist es daher eine besonders wichtig, mit diesem bedeutenden Werk einen Teil des einflussreichen Œuvres Schlingensiefs zu ihrer ständigen Sammlung hinzufügen zu können.

Das Werk „Deutschland versenken“ (1999) mit einer Laufzeit von 1 Minute 28 Sekunden wurde ursprünglich auf 35mm gedreht. Es zeigt Schlingensief in den Straßen von New York mit einem Schild in der Hand; damit steht er mal vor der Treppe des Metropolitan Museum of Art, mal auf dem Times Square und vor dem New Yorker Goethe-Institut. Das Video wird im Kontext von drei weiteren Filmen gezeigt, in denen Schlingensief die Performance aufführt und das Projekt näher erläutert, unter anderem in einem Interview mit Alexander Kluge. Hinzu kommen Bildmaterial und Kolumnen aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in denen Schlingensief über seine „Deutschlandsuche“ berichtete. Es ist Teil seines umfassenderen Projekts „Deutschlandsuche ´99“, dessen erste Teile aus einer Theatertour durch kleinere und größere Städte in Deutschland bestanden. Mit diesem von der Wagner-Oper „Der Ring des Nibelungen“ inspirierten Projekt strebte er nach einer modernen Version des Siegfried, einem Helden für ein wiedervereintes, globalisiertes Deutschland.

Das Ende des 20. Jahrhunderts war von einem Anstieg rechter Tendenzen in Deutschland geprägt, was Schlingensief dazu bewegte, die nationale Identität im Kontext der faschistischen Vergangenheit des Landes zu hinterfragen. Zum Ende der „Deutschlandsuche ´99“ in der namibischen Wüste erklärte Schlingensief: „Die kolonialen Überreste des ehemaligen Deutsch-Südwestafrika werden ein letztes Mal mit Wagnermusik beschallt, der Nibelungenring nicht im Rhein versenkt, sondern in den Sand gesetzt.“


Öffnungszeiten:
Dienstag – Mittwoch: 10:00 . 18 00 Uhr
Donnerstag: 10:00 - 20:00 Uhr
Freitag -  Sonntag: 10:00 - 18:00 Uhr
Montag: geschlossen

Weitere Informationen direkt unter: smb.museum