Das Brücke-Museum lädt zur Wiederentdeckung einer Künstlerin der globalen Moderne ein: Irma Stern (1894-1966). In Deutschland fast vergessen, gilt die deutsch- südafrikanische Künstlerin in Südafrika bis heute als eine der wichtigsten Vertreterinnen der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts. Die erste Einzelausstellung in ihrer früheren Heimat Berlin zeigt das noch heute relevante und zugleich ambivalente Werk dieser ungewöhnlichen Frau.
„Die bestechenden, farbenprächtigen Porträts, Landschaften und Stillleben Sterns fußen auf einem Leben, das so unkonventionell war wie abenteuerlich. Die Wieder- entdeckung dieser Künstlerin versteht sich als Weiterführung der kritischen Kontextualisierung des Expressionismus am Brücke-Museum.“
Lisa Marei Schmidt, Direktorin und Kuratorin
Die in Südafrika geborene Stern studierte Malerei in Weimar und Berlin. Sie war Gründungsmitglied der Novembergruppe, eng mit dem Brücke-Künstler Max Pechstein befreundet und stellte in den 1920er-Jahren in wichtigen Galerien Berlins aus. Der Kunstbetrieb feierte ihre ausdruckstarken Porträts der Bevölkerung und Landschaften Südafrikas, die zugleich zutiefst vom deutschen Expressionismus geprägt sind. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialist*innen 1933 kam für die jüdische Künstlerin das jähe Ende ihres Erfolgs in Deutschland. Fortan verschob sich ihr Lebensmittelpunkt nach Kapstadt. Bis zu ihrem Tod 1966 brachte Irma Stern ein beeindruckendes und komplexes Werk hervor. Es ist geprägt von einer unauflösbaren Ambivalenz aus weiblicher Emanzipation und kultureller Aneignung.
„Stern konnte sich als Frau vor allem dadurch im männerdominierten Kunstbetrieb durchsetzen, dass sie sich geschickt als ‚Expertin‘ Schwarzer Kulturen positionierte. In Südafrika konnte sie so, ihre Erfolge in Berlin im Rücken, zur Nationalkünstlerin des Apartheid-Regimes avancieren. Gleichzeitig war sie als Jüdin auch dort immer wieder von Antisemitismus bedroht.“
Lisa Hörstmann, Kuratorin
Die Ausstellung bietet die einmalige Gelegenheit, ihr Werk in Europa zu entdecken. Über 40 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen Sterns aus internationalen, vor allem südafrikanischen Sammlungen sind im Dialog mit Werken der Brücke-Künstler zu sehen. Eine Intervention des südafrikanischen Künstlers Athi-Patra Ruga (geb. 1984) erweitert die Ausstellung um eine kritische Kommentierung aus queerer Schwarzer Perspektive.
Die Ausstellung wird kuratiert von Lisa Hörstmann und Lisa Marei Schmidt. Lisa Hörstmann hat zu südafrikanischem Siedlerprimitivismus promoviert und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart.
Die Ausstellung wird von dem umfangreichen Diskursprogramm Nicht einfach begleitet.
„Irma Sterns Biografie ist geprägt durch Ambivalenzen, Privilegien und Ausschlüsse. Das pluralistisch angelegte Programm Nicht Einfach lädt zur kritischen Reflexion ein. Es befasst sich multidirektional mit den Verschränkungen von Kolonialismus und Antisemitismus im Kontext der deutschen Geschichte.“
Daniela Bystron, Kuratorin für Outreach
Das Projekt Nicht einfach wird gefördert durch den Projektfonds Zeitgeschichte und Erinnerungskultur der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt des Landes Berlin.
Zur Ausstellung erscheint die Publikation Irma Stern, hg. v. Lisa Hörstmann und Lisa Marei Schmidt für das Brücke-Museum, mit Beiträgen von Irene Below, LaNitra M. Berger, Lisa Hörstmann, Gcotyelwa Mashiqa, Athi-Patra Ruga und Lisa Marei Schmidt, Hirmer Verlag, 208 Seiten, 45 Euro.
Bussardsteig 9
14195 Berlin