AMAZÔNIA. Indigene Welten gibt den indigenen Völkern des Amazonasgebiets eine Stimme und bietet einen neuen Blick auf diese Region, die oft auf das Klischee einer exotischen, von der heutigen Welt abgekoppelten Natur reduziert wird. Die Komplexität der Welt Amazoniens liegt auch in der Vielfalt und Vielzahl der Vernetzungen zwischen Hunderten von indigenen Völkern sowie in den Vermengungen unterschiedlicher Ethnien in den städtischen Gebieten und auf kulturellem Gebiet. Diese Verbindungen gehen weit über die menschliche Interaktion hinaus. Sie entstehen mit Pflanzen, Tieren und allem, was Formen spirituellen Erlebens zu verknüpfen vermag, sodass das weitläufige Gebiet Amazoniens nicht zuletzt wie ein lebendiges Ganzes aus dichten Netzwerken, interkulturellem Austausch und einer erweiterten Soziabilität erscheint.

Die Ausstellung ist das Ergebnis einer gemeinsamen Kuratorenschaft zwischen dem Anthropologen Leandro Varison vom Musée du quai Branly – Jacques Chirac und Denilson Baniwa, einem Künstler, Kurator, Designer und Aktivist für die Rechte der indigenen Bevölkerung Brasiliens. Sie legt den Schwerpunkt auf die Konzepte von Schöpfung und Zukunftsperspektiven aus der Sicht der Bewohner*innen, umfasst etwa 400 Werke und ist in fünf Teile gegliedert:
Den Wald erschaffen, die Welten bewohnen: Nach der Mythologie der Amazonasbewohner*innen entsteht die Welt aus einem ständigen Verwandlungsprozess. Im Gegensatz zu westlichen wissenschaftlichen und religiösen Erzählungen gibt es keinen absoluten Ursprung. Die Erschaffung der Welt ist eine Dynamik in ständiger Bewegung.
Die Schöpfung des Menschen: Im Amazonasgebiet geht die Vorstellung vom Menschen über die rein biologischen Dimensionen hinaus. Von Geburt an haben Menschen vielfältige Potenziale und ihre Zukunft kann sich sowohl in Richtung Menschlichkeit als auch in Richtung anderer Existenzformen entwickeln: tierisch, spirituell oder fremd gegenüber der Gemeinschaft.
Mit dem Anderen in Beziehung treten: In der Weltanschauung der Amazonasbewohner beschränkt sich die Menschheit nicht nur auf Menschen, ihre Welt wird von Wesen bevölkert, die mit menschlichen Fähigkeiten ausgestattet sind: Tiere, Pflanzen, Geister, Feinde, Wiedergänger, Wetterphänomene. All dies besitzt eine Persönlichkeit, ein Bewusstsein für die Welt und teilt eine gemeinsame Kultur.
Welten kennenlernen und erforschen: Die Völker des Amazonasgebiets teilen bestimmte Praktiken mit der westlichen Wissenschaft, wie zum Beispiel das empirische Experimentieren. Ihr ökologisches Wissen basiert außerdem auf einer sorgfältigen Beobachtung der Beziehungen zwischen Tieren und Pflanzen. Das indigene Wissen nutzt jedoch auch andere Formen der Wissensgewinnung, wie Träume oder Visionen.
Die Vervielfältigung der Zukunft: Die indigenen Völker konnten trotz der kolonialen Gewalt und der damit einhergehenden tiefgreifenden Veränderungen ihre Lebensweisen bewahren und erneuern. Sie leben in der Gegenwart mit ihren eigenen Bezugspunkten, stellen sich die Zukunft aus ihrer Welt heraus vor und zeigen, dass andere Lebens- und Denkweisen möglich sind.

In Kooperation mit dem Musée du Quai Branly – Jacques Chirac, Paris