Die Bundeskunsthalle konzipiert eine Ausstellung über die sich verändernde Erinnerungskultur in Bezug auf die Verbrechen des Nationalsozialismus. 80 Jahre nach Kriegsende werden die Stimmen der Überlebenden des Holocaust und andere Opfer des NS-Regimes immer weniger, die noch über ihre Erlebnisse berichten könnten. Aber sie hinterlassen ihre Zeugnisse in Büchern, Tonaufnahmen, Filmen und eigenen Kunstwerken. Gedenkstätten, Museen, Forschungseinrichtungen und Historiker*innen müssen auf das zukünftige Fehlen der Betroffenen reagieren, denn dieses darf nicht das Ende einer gelebten Erinnerungskultur bedeuten. Es müssen neue Wege beschritten werden, um das Gedächtnis an den Holocaust und die Diktatur des NS-Staates lebendig zu halten. Das authentische Erzählen kann niemals ersetzt werden, aber kann eine mediale und künstlerische Aufarbeitung in ihren spezifischen Formen vielleicht eine eigenständige Kraft entwickeln? Dieser Frage geht die Ausstellung nach. Die Bundeskunsthalle kann dabei als ein Diskursort dienen.
Eine Vielzahl von Künstler*innen haben sich der Archivarbeit und der historischen Spurensuche zu den NS-Verbrechen angenommen. Kunst kann Dinge ausdrücken, die sich manchmal allein mit historischen Abhandlungen nicht beschreiben lassen. Käthe Kollwitz, Boris Lurie, Gustav Metzger, Hans Haacke und Christian Boltanski sind hier zu nennen und jüngere Künstler*innen wie zum Beispiel Marcel Odenbach und Natalia Romik, die sich mit den traumatischen Geschehnissen in der Zeit des NS-Regimes beschäftigen. Doch trotz der Hoffnung auf ein andauerndes, lebendiges Erinnern, die in neuen vermittelnden und vermehrt digitalen Medien und in der Kunst zu finden sein könnte, wird in Zeiten eines zunehmenden Misstrauens gegenüber vermeintlich faktischen Bildern dem realen Zeugnis und der Beweisführung noch mehr Bedeutung zukommen. Und so müssen neben den Methoden des Aufarbeitens und Gedenkens auch geschichtsrevisionistische Methoden des „Vergessen-Machens“ thematisiert werden, die ein lebendiges Gedenken neuerdings wieder zu durchkreuzen suchen.
Wie steht es um die Erinnerungskultur und Gedenkpolitik in Deutschland? Die Ausstellung möchte vor allem mit Mitteln der Kunst und digitaler Medien sowie mit historischen Zeugnissen und Objekten verschiedene Methoden des Gedenkens untersuchen und diskutieren: 1. Wissen und Aufklärung über die NS-Verbrechen sind zumutbar und notwendig, um die Demokratie zu erhalten. 2. Die Tatort- und Beweissicherung sowie andauernde forensische Forschung in den Gedenkstätten ist für das Trauern, Erinnern und Vermitteln unerlässlich. 3. Zentrale und dezentrale Denkmäler und Mahnmäler stärken insbesondere die verschiedenen Opfergruppen. 4. Das individuelle und familiäre Erinnern konstituiert als Gemeinschaftsleistung unser kollektives Gedächtnis. 5. Wohin steuert die Erinnerungskultur an die NSVerbrechen? Liegt die Zukunft des Gedenkens im Digitalen und wie schützen wir dort das authentische Zeugnis?
Helmut-Kohl-Allee 4
53113 Bonn