Kartographische Pläne sind selten eindeutige Aufzeichnungen des Gegebenen. Auch wenn sie Rationalität und Objektivität suggerieren, bewegen sie sich in einem nie von Subjektivität freien Raum zwischen Abbildern und Zeichen, zwischen Bild und Sprache – letztlich zwischen Realität und Fiktion – auch deswegen, weil sie Maßstäben folgen, die bestimmen, wo die Genauigkeit im Detail aufhört. Auf gedruckten Weltkarten wird der Standort von KAI 10 | ARTHENA FOUNDATION kaum zu finden sein. Erst in digitale Karten lässt sich beliebig hineinzoomen. Doch gibt es Länder und Orte, die nur auf fiktiven Karten zu finden sind, etwa das Lummerland aus Michael Endes berühmten Jim Knopf-Romanen. Kartographisch inspirierte Fiktionen gibt es jedoch nicht nur in Kinderbüchern, sondern auch im Werk vieler Künstlerinnen und Künstler. Hier finden wir originelle Auf- und Verzeichnungen von Reiseerlebnissen, daneben detaillierte Entwürfe erdachter Orte und Länder. Kartographisch anmutende, zeichensprachlich oder ornamental wuchernde Strukturen können sich zu ganz eigenen Weltentwürfen entwickeln. Dies gilt auch für die in die Ausstellung integrierten, traditionell als Outsider bezeichneten Positionen. Vieles, was in Uncertain Maps zu sehen ist, bleibt vieldeutig: Handelt es sich um die Abbildung oder Evokation einer äußeren Wirklichkeit, von Landschaften und Städten? Sind es Versuche, innere, mentale Zustände aufzuzeichnen – emotionale oder kognitive Karten, die räumliche Informationen im Gedächtnis repräsentieren? Oder werden digitale Datenströme sichtbar gemacht? Auch für praktische und wissenschaftliche Zwecke erstellte Bilder lassen sich anders ‚lesen‘ als für das intendierte kartographische Vorhaben, etwa Satellitenaufnahmen des staatlichen isländischen Landesvermessungsamts. Wenn Künstlerinnen und Künstler ein Terrain sondieren, sei es ein reales oder der Fantasie entsprungenes, werden ihre Kartierungen in der Regel zu Uncertain Maps, die uns auf Wege führen, die in keinem gewöhnlichen Atlas zu finden sind.