Mit der Ausstellung „Foto: Hans Hansen“ widmet das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) einem der bedeutendsten Fotografen der Nachkriegszeit vom 17. April bis 1. November 2026 eine umfassende Werkschau. Gezeigt werden rund 220 ikonische Fotografien aus über sechs Jahrzehnten. In internationalen Kampagnen unter anderem für Lufthansa, Nikon, Volkswagen und Erco hat Hans Hansen die Produktfotografie seit den 1960er Jahren revolutioniert und das kollektive Bildgedächtnis ganzer Generationen geprägt. Ergänzt wird die Ausstellung durch Arbeiten, die in enger Zusammenarbeit mit Designer*innen wie Tapio Wirkkala entstanden sind. Publikationen, Skizzen und Archivmaterial sowie ausgewählte Objekte aus Hansens Privatsammlung gewähren zudem tiefere Einblicke. Auch seine jüngste Werkserie „Analog“ (2024) verdeutlicht Hansens unverwechselbare, sachlich-minimalistische Bildsprache.

Während sich die Welt außerhalb des Studios in 60 Jahren fortwährend verändert, herrscht im Studio eine konstante Ordnung: Alles hat seinen Platz. In seinen Stillleben reduziert Hans Hansen die Gegenstände auf das Wesentliche: Er ordnet, zerlegt und strukturiert Formen, Farben und Materialien. Seine Objekte wirken zeitlos. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Aufnahme eines in rund 7.000 Einzelteile zerlegten VW Golf (1988).

Seine Arbeiten tragen eine unverkennbare Handschrift, indem sie den Blick mit radikaler Klarheit auf die alltägliche Dingwelt und Gestaltung lenken – unablässig sucht er dabei nach neuen Bildlösungen. Licht und Schatten, Komposition und Perspektive sind zentrale Parameter und elementare Mittel, mit denen er das Wesen der Fotografie stetig hinterfragt.

THEMATISCHE SCHWERPUNKTE
In thematischen Schwerpunkten zeichnet die Ausstellung die Entwicklung von Hans Hansens konzeptuellem Werk anhand verschiedener Bildgruppen und Schaffensphasen nach.

Die große Rotunde des historischen Treppenhauses im MK&G bespielt Hansen mit dem 2024 veröffentlichten Projekt „Analog“ (erschienen bei Spector Books), das erstmals in einer Ausstellung zu sehen ist. Hier richtet er den Blick auf die Dinge, die ihn jahrzehntelang im Studio umgeben haben: Kameras, Lampen, Werkzeuge. In präzise ausgeleuchteten Fotografien inszeniert er sie als Assistent*innen seiner Arbeit. „Analog“ ist Rückblick und Reflexion zugleich – und darüber hinaus ein Statement für die materielle Qualität der Fotografie im digitalen Zeitalter.

Im Zentrum der Ausstellung stehen das Studio des Fotografen und die Person Hansens selbst: Vorgestellt wird er vor allem über die zentralen Gestaltungsmittel seiner Fotografien. Sein Studio und Werkvorlass wird in einer Archiv-Installation erfahrbar, ein Ausstellungsfilm bringt den Fotografen und seine Arbeitsweise näher.

Bereits in den frühen Fotografien aus Hansens Düsseldorfer Studienzeit deutet sich seine spätere Bildsprache an: Alltägliche Gegenstände wie ein Ersatzteil für eine Küchenmaschine werden durch das Ausblenden des Gebrauchskontexts und die Präsentation vor monochromen Hintergründen zu abstrakten Formen. Auch Naturmotive – etwa Vögel auf einem Stromkabel – verwandelt Hansen in einer Reihe in grafische Elemente, die an Zeichnungen auf einem weißen Blatt erinnern.

Zwischen 1963 und 1967 arbeitet Hans Hansen mit dem Art Director Jack Piccolo von der Agentur Doyle Dane Bernbach (DDB) für die weltweite Kampagne der Lufthansa zusammen. Die Fotografien folgen der Ästhetik des Bildjournalismus: Mit der Kleinbildkamera eingefangen, verdichten sich situative, emotional aufgeladene Motive zu Bildern, die Reiselust wecken: Landschaftspanoramen, bekannte Sehenswürdigkeiten oder Aufnahmen von Tieren in freier Wildbahn werden mit der nüchternen Typografie Otl Aichers kombiniert. Ihnen gegenübergestellt sind freie Arbeiten, in denen Hansen verwitterte Plakate mit typografischen Fragmenten unter anderem aus Spanien, Peru oder dem Iran festhält – eine Hommage an die Poesie des Alltags.

Im Kapitel Glas, Eis und Wasser markiert die Zusammenarbeit mit dem bekannten finnischen Glasgestalter Tapio Wirkkala ab 1962 den Anfang einer lebenslangen Leidenschaft für den Werkstoff Glas und die erste Zusammenarbeit mit dem bekannten Designer. Glasobjekte erscheinen in seinen Fotografien wie schmelzende Gletscher oder Landschaftsformationen. Hansen entdeckt dabei nicht nur das fotografische Potenzial von Licht und Glas, sondern auch seine Faszination für die Materialien, die sich als roter Faden durch sein gesamtes Werk zieht. Den Fotografien werden einzelne Objekte von Hansens Glassammlung gegenübergestellt, die das Museum 2023 erworben hat.

Ab Ende der 1960er Jahre arbeitet Hansen für Volkswagen, Porsche, Mercedes-Benz und Fiat. Seine Fotografien von Autos zeigen den enormen Aufwand analoger Bildproduktion im vordigitalen Zeitalter: von der spektakulären Inszenierung eines Fiat, der mit dem Stuntman Rémy Julienne von einem Dach der Fiat-Werke zum anderen fliegt, über das eigens in Wolfsburg entworfene, kugelförmige und schattenlose Fotostudio für VW bis hin zur Mercedes SL-Klasse vor Hintergründen mit buntem Farbverlauf. Diese Arbeiten verdeutlichen Hansens handwerkliche Perfektion und seinen Anspruch, für jedes Motiv eine präzise, wirkungsvolle Bildlösung zu entwickeln. Dem gegenübergestellt ist eine dichte Auswahl von Kleinbildaufnahmen, die Hansen in US-amerikanischen Produktionsanlagen und am Rande eines Highways aufgenommen hat. Sie zeigen die Produktionsrealität, die Alltagskultur sowie zum Beispiel eine durch einen Unfall zerstörte Karosserie – als Gegenpol zu der Hyperpräzision des Produktfotos.

Seit den 1980er Jahren prägt Hansen gemeinsam mit dem Thomas Rempen (Hildmann, Simon, Rempen & Schmitz) das Markenbild des Leuchtenherstellers Erco. Die Zusammenarbeit kam durch Empfehlung von Otl Aicher zustande, der ab 1974 ein Rebranding des Unternehmens vorantrieb. In streng komponierten Serien fotografiert er stereometrische Körper, die er jeweils unterschiedlich beleuchtet. So entstehen Studien über die Wirkung von Licht, die denselben Aufbau der Objekte in drei völlig unterschiedlichen Varianten des Motivs zeigen. Die formale Einfachheit dieser Bilder kontrastiert mit dem hohen technischen Aufwand, der hinter ihnen steckt.

Für Auftraggeber wie das Magazin Stern oder die Supermarktkette Rewe entwickelt Hansen in den 1980er Jahren eine neue Bildsprache für Lebensmittel. Seine Food-Fotografien sind Beispiele dafür, wie Sachfotografie den Blick auf Konsumgüter prägt. Klarheit, Reduktion und Präzision geben den Motiven eine bis dahin ungewohnte visuelle Präsenz, von der ultravergrößerten Oberfläche einer Erdbeere über die serielle Darstellung von Avocados bis zur durch Unschärfe verfremdeten Ansicht einer Rhabarberstaude.

In den 1960er und 1970er Jahren wurden Fotografien noch vor allem für den Druck produziert – sei es für ein Editorial oder Anzeigenwerbung. Diese Tatsache veranschaulicht die Ausstellung mit einem umfangreichen Einblick in das Archiv von Druckbelegen Hansens für Stern, Süddeutsche Zeitung Magazin, Zeit Magazin, Mare, Greenpeace Magazin und Geo.

HANS HANSEN
Hans Hansen wurde 1940 in Bielefeld geboren. Nach einer Ausbildung zum Lithografen startete er ein Studium der Angewandten Grafik bei Professor Walter Breker an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, die er ohne Abschluss verließ. Als Autodidakt begann er 1957 mit der analogen Mittelformatkamera „Rolleiflex“ zu fotografieren. 1962 entstanden erste Studien von Glasobjekten im Auftrag von Tapio Wirkkala. Zwischen 1963 und 1967 fotografierte Hansen internationale Werbekampagnen für Lufthansa. Ab 1968 folgten weitere große Aufträge von Volkswagen, Mercedes-Benz und anderen Automobilherstellern in Deutschland, Frankreich, Italien und den USA. Nach der Gründung seines ersten Ateliers 1970 in Hamburg konzentrierte sich Hansen verstärkt auf die Sachfotografie. Parallel dazu realisierte er redaktionelle Beiträge unter anderem für Magazine wie den Stern und das Süddeutsche Zeitung Magazin. Ab 1980 arbeitete er zunehmend auch an freien, künstlerischen Projekten und fotografierte analog und digital, seit 2007 ausschließlich digital. Hans Hansen lebt und arbeitet in Hamburg.