Der NAK Neuer Aachener Kunstverein freut sich die erste institutionelle Einzelausstellung der Künstlerin Berit Schneidereit präsentieren zu dürfen.

Bereits der Ausstellungstitel tourist verweist auf das begierige und doch zugleich leichte Streben Schneidereits fremde Orte über die Fotografie visuell erfahrbar zu machen und zu erkunden. Dabei variiert die Künstlerin fotografische Techniken und Strategien, arbeitet konzeptuell mit dem Medium der Fotografie und erkundet dessen Eckpunkte. Die oftmals hybriden Ergebnisse dieses forschend-interessierten Ansatzes wirken frei und ungezwungen. Zufall trifft auf Entdeckertum. Ein Aufeinandertreffen von analoger und digitaler Technik schafft etwas ästhetisch Neues, das gleichermaßen den Bildraum der Fotografie und ihre Oberfläche untersucht.

Über die Fixierung des Moments wird der Raum erfahrbar gemacht. Doch Schneidereits Arbeiten zeigen kein konkretes Abbild, sind keine Repräsentation sondern vielmehr autonome Allusion. So zeigen die im Kunstverein präsentierten Arbeiten der Serie fantasy konstruierte Orte des Müßiggangs, botanische Gärten, idealtypisch und nicht konkret verortbar. Motivisch sind dies durchaus kunsthistorisch aufgeladene Areale. Zu erahnende Wege vermitteln ein Gefühl der Trennung aber auch des Übergangs, deren digitales Abbild bei der Entwicklung durch eine Gitterstruktur überlagert und verfremdet wird. Eine Schichtung in zwei Ebenen zieht eine Auflösung des Bildes in Strukturen und Flächen nach sich. Das entstehende Fotogramm kreist damit um die Idee von Räumlichkeit, wirft ein Wechselspiel von Tiefe und Oberfläche auf. Die Künstlerin schreibt mittels Motiv als auch Technik das Dazwischen in ihre Arbeit ein, kreiert so einen offenen, da spannungsgeladenen Raum, der mehr Frage denn Antwort ist. Die Arbeit wird zum Objekt, eine Qualität die die Künstlerin stets in der Präsentation und Inszenierung ihrer Arbeiten betont, etwa durch die Rahmung oder eine lose, das Material aufzeigende Hängung. Dieser physische Aspekt erinnert an die Ursprünge von Schneidereits künstlerischer Genese, die in der Nähe zur Bildhauerei liegen.

Ebenfalls zeigt Schneidereit in der Ausstellung eine Reihe von Cyanotypien, reduzierte, geradezu abstrakte Arbeiten. Die durch eine der ältesten fotografischen Techniken hergestellten Werke können als Reaktion auf die figurative fantasy Serie gesehen werden und bilden sichtbar und damit geradezu narrativ ihren Entstehungsprozess an der Oberfläche ab. Der Moment schreibt sich hier auf völlig andere Weise in die Haut der Arbeit ein und hinterlässt etwas flüchtiges, ephemeres.

Abgerundet wird die Präsentation im NAK durch einen großen freistehenden Rahmen, an dem drei analoge Belichtungen fixiert sind. Dieser Einschub doppelt den Park, der den Kunstverein umgibt, und bringt des weiteren ein zeitliches Element in die Ausstellungsräume. Das Triptychon visualisiert in drei Sequenzen eine sich vollziehende Bewegung. Gleichermaßen wirkt es wie ein Spiegel und rückt die Beziehung zwischen Innen und Außen, Natur und Abbild erneut in den Blick.

Berit Schneidereits Interesse gilt der Diskrepanz zwischen dem fotografischen Bildraum und seiner Oberfläche. In ihrer ihr eigenen künstlerischen Praxis befreit sie die Fotografie durch eine Erforschung eben dieser und gibt mithin neue Sichtweisen frei.

Berit Schneidereit wurde 1988 in Frankfurt am Main geboren. Sie studierte an der Kunstakademie Düsseldorf zunächst bei Prof. Hubert Kiecol und anschließend bei Prof. Andreas Gursky, dessen Meisterschülerin sie ist. Ihre Arbeiten sind aktuell auch in der Ausstellung SUBJEKT und OBJEKT. FOTO RHEIN RUHR der Kunsthalle Düsseldorf zu sehen. Sie lebt und arbeitet in Düsseldorf.

11.10. - 29.11.2020

Berit Schneidereit: Tourist

Neuer Aachener Kunstverein

Passstraße 29
52070 Aachen