Dazwischensein 9

Cana Bilir-Meier 

(Möglichkeitsraum)

 

Cana Bilir-Meier 

Talya Feldman 

Yulia Lokshina

(Filmprogramm)

 

Ausstellung von 15. November bis 12. Dezember 2024 

Eröffnung Donnerstag, 14. November 2024, 18 bis 21 Uhr

 

 

Im Jahr 2024 setzt ,Dazwischensein’ den gedanklichen Überbau für neun kurze, künstlerische Einzelpräsentationen, die das Thema in seinen verschiedenen Aspekten untersuchen. Dazwischensein kann ein Gedanke, Zustand oder auch ein Gefühl sein. Wir wollen Dazwischensein als Möglichkeit begreifen, mehr zu sehen und verschiedene Sichtweisen gleichzeitig in sich zu erfassen.

 

 

Cana Bilir-Meier (*1986 in München) lebt und arbeitet in München und Wien. Sie studierte Kunst und Digitale Medien sowie Film und Kunstpädagogik an der Akademie der bildenden Künste in Wien und an der Sabancı-Universität in Istanbul. Sie arbeitet als Filmemacherin und Künstlerin sowie in Kunst- und Kulturvermittlungsprojekten. Ihre filmischen, performativen und textbasierten Arbeiten bewegen sich an den Schnittstellen zwischen Archivarbeit, Textproduktion, historischer Forschung, zeitgenössischer Medienreflexivität und Archäologie. Sie ist Mitbegründerin der Initiative zum Gedenken an Semra Ertan und Co-Herausgeberin des Gedichtbandes „Mein Name ist Ausländer – Benim Adım Yabancı“. 2021 war sie Vertretungsprofessorin für Kunstpädagogik an der Akademie der Bildenden Künste München. 

 

Gesprächspartner: Simon Biallowons (*1984) ist studierter Philosoph, Journalist und Buchautor. Als Reporter war er weltweit tätig, seine Bücher beschäftigen sich in erster Linie mit philosophischen und religiös-spirituellen Themen. Er arbeitete als Korrespondent in Rom, lebte im Nahen Osten und berichtete als Reporter für verschiedene Medien aus vielen Ländern. Biallowons ist Verfasser mehrerer Bestseller und derzeit Geschäftsführer und Cheflektor des Herder Verlages. Talya Feldman (*1990, Denver, Colorado) ist eine zeitbasierte Medienkünstlerin aus Denver, Colorado. Sie erwarb einen BFA an der School of the Art Institute of Chicago und ist derzeit Doktorandin an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Sie hat in Chicago, New York, Hamburg, Halle (Saale), Frankfurt und Berlin ausgestellt. Feldman wurde 2021 mit dem DAGESH-Kunstpreis für ihre Klanginstallation ,The Violence We Have Witnessed Carries a Weight on Our Hearts‘ im Jüdischen Museum in Berlin ausgezeichnet und hat für ihre Projekte gegen rechten Terror in Zusammenarbeit mit aktivistischen und forschungsbasierten Netzwerken weltweite Anerkennung erhalten. 

Yulia Lokshina (*1986 in Moskau, Russland) studierte Dokumentarfilmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Ihre Film- und Videoarbeiten beschäftigen sich mit der Interferenz sozialer Umgebungen und ihrer Protagonist*innen. Ihr Abschlussfilm – gleichsam künstlerisches wie politisches Projekt – ,Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit‘ befasst sich mit Leiharbeit und Arbeitsmigration aus dem europäischen Osten in Deutschland, Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe und des Klassenbewusstseins und wurde mit dem Max Ophüls Preis für den besten Dokumentarfilm 2020 ausgezeichnet. Ihre Arbeit fragt kritisch: Wie sprechen wir über Dinge, die uns angehen? Wer trägt für was Verantwortung? Was wird zu einem Thema? Sie arbeitet im Grenzbereich von Film und Wissenschaft am Forum Internationale Wissenschaft Bonn, sowie in offenen Formationen mit befreundeten Künstler*innen. 

 

Filmprogramm

Cana Bilir-Meier

This Makes Me Want to Predict The Past, 2019

Super 8-Film, digitalisiert, 16 Minuten

Cana Bilir-Meier (Regie), Aleyna Osmanoğlu und Sosuna Yıldız (Protagonistinnen), Lichun Tseng (Kamera), Zühal Bilir-Meier (Casting Direktorin), Nihan Devecioğlu (Musik)

 

,This Makes Me Want to Predict The Past’ porträtiert zwei junge Frauen am Münchner Olympia-Einkaufszentrum, das 2016 Tatort eines rassistischen Anschlags wurde, bei dem neun Menschen ermordet und zahlreiche weitere verletzt wurden. Cana Bilir-Meiers Film zeigt die kurdischen und türkischen Mädchen Sosuna Yildiz, Aleyna Osmanoğlu und Berfin Ünsal, wie sie sich die Zeit im und rund um das OEZ vertreiben, Rolltreppen fahren oder Kleidung und Accessoires anprobieren. Neben ihren alltäglichen Erkundungen stellen die Jugendlichen Szenen aus dem Theaterstück ,Düşler Ülkesi‘ (Land der Träume) nach. Die Premiere des Stücks im Jahr 1982 wurde von einer Bombendrohung überschattet. Der im Filmtitel angelegte Widerspruch, die Vergangenheit vorhersagen zu wollen, ist ein Verweis auf die kontinuierliche Erfahrung von Rassismus, lässt sich aber auch als eine spielerische Anregung lesen, aus gewohnten Denk- und Verhaltensmustern auszubrechen – im Film vermittelt durch YouTube-Kommentare zu Childish Gambinos Song ,Redbone‘. 

 

Talya Feldman

Elegy, 2020

Einkanalvideo, 6 Minuten

Tirza Ben-Zvi (Tanz & Choreographie), Christiany Erler, Paul McKenzie, Muhammad Nouman (Stimmen),

Text aus Aussagen von Überlebenden, Halle

Im Gedenken an Jana L. & Kevin S.

 

,Elegy‘ (dt. Klagegedicht) ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem rechtsextremen Terroranschlag auf die Synagoge in Halle während des höchsten jüdischen Feiertages Jom Kippur am 9. Oktober 2019. Talya Feldman befand sich damals selbst in der Synagoge. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ,Elegy‘ ist ihre eigene Erfahrung, die sie mit den Gedanken und Stimmen anderer Überlebender verbindet. Das Video zeigt eine Solo-Performance der Tänzerin und Choreographin Tirza Ben-Zvi unterlegt mit einem Gedicht, das Gedankenfragmente der Überlebenden des Anschlags zitiert und mit langanhaltenden, monotonen Synthesizer-Tönen kombiniert. Christiany Erler, Paul McKenzie und Muhammad Nouman verleihen den Überlebenden ihre Stimmen. Das Zusammenspiel der drei medialen Formen – Ton, Tanz und Poesie – gibt eine Antwort auf die Frage, die die Künstlerin nach dem traumatischen Erlebnis in einem mdr-Radiointerview wie folgt formulierte: “Wie können wir individuelle Erfahrungen mit kollektiven oder globalen Erfahrungen verknüpfen? Wie können wir Grenzen und Sprachen überwinden?”

 

Yulia Lokshina

Tage der Jugend, Deutschland, 2016

Film, 30 Minuten

Zeno Legner (Kamera), Philipp Scholz und Andrew Mottl (Ton), Yulia Lokshina und Manon Falise (Schnitt), wirFILM Bertolone & Ehlayil und HFF München (Produktion), Isabelle Bertolone, Marius Ehlayil und Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) (Produzent*innen)

 

Seit Jahren findet jeden Sommer auf Sachalin ein patriotisches Sommerlager für Kinder und Jugendliche statt. Organisiert wird es von ehemaligen Armeeleuten, Afghanistan- und Tschetschenienveteranen, die ihr Wissen um Disziplin, den bewaffneten Kampf, Kriegerehre und Liebe zum Vaterland an die Jungen weitergeben wollen. Der Dokumentarfilm begleitet einige Jugendliche in den Tagen des Sommerlagers in dieser abgelegenen Insellandschaft. Ihre Aktivitäten, ihre Freundschaften, Erfahrungen, Träume und Hoffnungen.

 

Programm

Eröffnung mit Perfomance

Donnerstag, 14. November 2024, 18 bis 21 Uhr 
Einführung 19.30 Uhr

 

Tanz-Kinderworkshop

Mittwoch, 20. November 2024, tba

 

Künstleringespräch

Dienstag, 26. November 2024, 19 Uhr

 

Finissage mit Musik

Donnerstag, 12. Dezember 2024, 19 Uhr